Zukunft Bau: die Branche aus dem Blick der B2B-Forschung

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20. Februar 2019 | Malte Harders

GIM Research Manager Malte Harders, qualitativer Marktforscher im Bereich B2B-Technology, war Anfang des Jahres auf der BAU 2019. Seine Einschätzungen über Produkttrends und Zukunftsentwicklungen auf der Weltleitmesse für Architektur, Materialien und Systeme in München veröffentlicht er im GIM Radar.

Rund 250.000 BesucherInnen zählte die BAU 2019. Bild: Messe München

Ein Gespenst geht um auf der Baustelle – das Gespenst der Digitalisierung. Und das Epizentrum der Digitalisierung auf der BAU 2019 war im sogenannten „Digital Village“ zu finden. Unter dem Motto „we connect, we maximize, we inspire“ wurde der Thematik erstmals eine eigene Halle gewidmet, in der Software-Unternehmen und Bau-Industrie gemeinsame Ideen und Ansätze vorstellten.

Neben der Vernetzung mehrerer heimischer Endgeräte im Sinne von Smart Home und eher inkrementellen Innovationen im Bereich der Foto- und Baudokumentation mittels Laserscans, waren aber auch einige neuartige Entwicklungen auf der BAU erkennbar.

Das Digital Village als Treffpunkt für den Digitalen Wandel im Bau. Bild: Messe München

Eine effiziente interne Kommunikation ist äußerst wichtig, egal in welcher Branche man sich bewegt. Doch gerade im Baugewerbe ist es besonders kompliziert, da ein Großteil der Kollegen durchgehend auf mehreren Baustellen parallel aktiv ist. Oftmals kommunizieren Geschäftsführer und Handwerker in Gruppen-Chats, dokumentieren hier die Baustellenarbeiten und erfassen so auch Stammdaten und Arbeitszeiten – ungeordneter geht es kaum.

Nicht selten hören wir in Tiefeninterviews und Fokusgruppen von Bedenken der Architekten, Handwerker und SHK-Installateure wegen der Unübersichtlichkeit von Messenger-Diensten für die betriebsinterne Kommunikation sowie wegen des Datenschutzes. Neuartige Apps werben nun mit Übersichtlichkeit, Arbeitseffizienz und digitaler Prozessintegration – und docken damit an den heutigen Bedürfnissen und Anforderungen unserer B2B-Technology-Zielgruppen an.

Digitale Organisationstools

Der Spagat zwischen Innovation und Tradition ist oft nicht leicht – gerade bei traditionsbewussten Kleinbetrieben, häufiger auf dem Land als in der Stadt anzutreffen. Insbesondere diese Unternehmen sehen sich nämlich als zu klein an für relevante Veränderungen von Arbeitsabläufen im Rahmen der Digitalisierung. Denn Veränderung bedeutet Aufwand. Wenn Firmengeschicke in 2. oder 3. Generation geleitet werden, die guten alten Faxgeräte noch immer rattern (weil: „die Bestellungen haben wir so schon immer aufgegeben!“), und Firmengründer noch als Portrait-Foto an der Wand verewigt sind, trifft das Digitalisierungsstreben aus der Industrie (bislang) noch auf taube Ohren.

Es sind daher vor allem Ausgründungen oder Start-ups, die Trends in dieser Branche vorgeben und Entwicklungen maßgeblich gestalten. Eines dieser Start-ups ist MyCraftnote. Sämtliche Informationen für das Projekt können hier über das Smartphone eingegeben, gelesen und bearbeitet werden – Quasi ein ERP auf dem Handy. Handlich und damit ideal für den Einsatz auf der Baustelle, wirbt der Anbieter mit dem Satz „Mit unserer Handwerker App gehört die lästige Zettelwirtschaft der Vergangenheit an!“.

Ed Controls, das digitale Bautagebuch als Dokumentations-App für Tablet und Smartphone, verfolgt die Strukturierung des operativen Geschäfts. Mit einem Ticket-System sollen Arbeitsaufträge und Mängelbehebungen direkt Kollegen zugewiesen, Qualitätskontrollen dokumentiert und die vorhandenen Daten analysiert werden können.

„Das Minibüro für unterwegs“ möchte shm ToGo abbilden: Stammdaten von Kunden und Lieferanten, Termine, Aufträge und Angebote können mit der App online abgerufen, sowie Daten zwischen den Mitarbeitern ausgetauscht werden. Außerdem gibt es auch neuartige Ansätze, Bauinspektionen in Zukunft per integrierter Helmkamera digital zu dokumentieren und direkt per App zu versenden.

Die Koordination von Großprojekten ist rein analog nicht mehr denkbar.

Diese Apps regeln tatsächlich vieles, was bisher mit Notizen, Zetteln und Anrufen geklärt werden musste, digital und schnell verfügbar. Inwiefern die neuen Anbieter von Handwerker-Apps aber vertraulicher mit den Daten Ihrer Kunden umgehen als die klassischen Messenger-Dienste, darf kritisch hinterfragt werden.

Kabellose Baustelle

Dass Bohrmaschinen und (selbstredend) Akkuschrauber heutzutage ohne Stromkabel auskommen, ist selbstverständlich. Viele weitere Werkzeuge benötigen jedoch trotzdem Netzkabel, Druckluftschlauch oder Gaskartusche. Ähnlich wie bei Autos wird in Zukunft aber auch bei Werkzeugen der Antrieb mit Akku laufen. Dem Kabelsalat wird so der Garaus gemacht.

Und ein weiterer Schritt in Richtung Nutzerfreundlichkeit wurde ebenfalls bereits unternommen: zehn Werkzeug-Produzenten haben im vergangenen Jahr die Marke CAS gegründet. CAS steht für Cordless Alliance System und soll universal nutzbare Stromspeicher für die Werkzeuge produzieren. Egal ob Rührwerke zum Mischen von Baumaterial, Schleif- und Poliermaschinen, Nass- und Trockensauger, Handkehrmaschinen oder Heißluftgeräte – ein Akku passt auf 10 Marken und über 110 Geräte. Und die Anzahl wird zunehmen.

Architektur

Gewiss: Die architektonische Idee und der Entwurf entspringen nach wie vor der Kreativität des Architekten, Innenarchitekten und Gestalters. Sie sind jene, die all die Parameter wie Raum, Form und Material, aber auch Bedürfnisse des Bauherrn und der Nutzer in einem Entwurf subsumieren müssen. Doch auch hier gibt es bereits Ansätze eines „generativen Designs“, bei dem der Entwurf von Algorithmen erarbeitet wird, je nach Material und Systematik. Die handfeste Werkplanung erfolgt dann digital und kommt Gewerke übergreifend zustande.

Mit der VR-Brille durch Gebäude-Entwürfe laufen: keine Zukunftsmusik mehr. Bild: Malte Harders

Heute ist es Standard, dass internationale Planungsteams gemeinsam und zeitgleich an denselben Daten arbeiten. Das vereinfacht den Austausch und die Arbeit erheblich und trägt zu einer besseren Qualität der Planung bei. Mit den jüngsten Entwicklungen im IT-Bereich und vor allem mit Building Information Modeling (BIM) verändert sich das Planen enorm.

Auch wenn die Anschaffung spezieller BIM-Werkzeuge und die Planung in BIM zunächst einen gewissen Aufwand bedeuten, amortisiert sich dieser im Verlauf eines Projekts schnell. Bei Großprojekten ist diese Art der Planung bereits gang und gäbe. Zukünftig werden die digitalen Planungswerkzeuge auch bei kleineren Projekten und Altbau-Sanierungen angewendet und somit weltweit gültiger Standard sein.

Auf diese Entwicklung muss sich auch das ausführende Handwerk einstellen, um wettbewerbsfähig bleiben zu können. Künftig wird es möglich sein, eine Planung teilweise direkt in die 3D-Produktion zu übersetzen. Bei Bauteilen aus Stahl oder Holz ist dies bereits Realität. Aber auch in anderen Bereichen wird man Maschinen mit 3D-Daten füttern können. Das wird nicht nur Zeit und Geld sparen, sondern auch die Effektivität am Bau nachhaltig beeinflussen.

Mit elektronischen Bauplänen hat die Digitalisierung im Bau begonnen. Bild: Messe München
Fazit

Die BAU 2019 hat gezeigt, dass die Digitalisierung im Handwerk Einzug hält und nahezu jeder Aussteller die Notwendigkeit erkannt hat, sein eigenes Produktportfolio und Leistungsspektrum darauf abzustimmen. Zum einen ist noch nicht klar, ob alle Zielgruppen dafür bereit sind, aber zum anderen sollten Produzenten aufpassen, dass die Digitalisierung tatsächlich einen Nutzen bringt. Die Hersteller sollten sich deshalb der Heterogenität ihrer Zielgruppen annehmen und nur solche Innovationen auf den Markt bringen, die wirklich praxisorientiert sind und einen echten Mehrwert für ihre Kunden bieten.

Ähnlich wie meine Kollegen, die Research Directors Sebastian Klein und Benjamin Dennig aus dem Bereich Home & Technology, schon länger plädieren, kann die Zukunft nicht dadurch gestaltet werden, dass jeder Bohrkopf eine eigene WLAN-Antenne enthält. Die tatsächlichen Needs der – gerade in der Bau-Branche eher konservativen – Nutzer müssen erkannt werden. Eine fundierte und zielgerichtete Marktforschung kann dazu beitragen, diese Need-Gaps zwischen Kundenbedürfnissen und vorhandenen Produktlösungen zu schließen.

Research Manager Malte Harders forscht seit 2018 bei der GIM. Er ist spezialisiert auf qualitative Forschung im Bereich B2B-Technology. Harders studierte Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftsgeographie in Gießen und war danach bei einer Unternehmensberatung tätig.

Wenn Sie mehr über die B2B-Technology-Forschung der GIM erfahren möchten, besuchen Sie gern unsere Homepage.

 

 

Headerbild: Christopher Burns/unsplash

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