Dass online-basierte Services wie Google oder Netflix Künstliche Intelligenz (KI) nutzen, ist heute keine Meldung mehr wert. Walmart als Offline-Retailer erprobt jetzt aber den Einsatz von KI in der Filiale: Um die Zukunft des Retail zu verändern – nicht weniger haben sich die US-Amerikaner auf die Fahne geschrieben –, setzt der Branchen-Riese nun auf modernste Technologie. Dazu hat der Konzern eine Filiale in Levittown, New York, zum Walmart Intelligent Retail Lab (IRL) umgebaut und im Zuge dessen um hunderte Kameras, Sensoren und Server erweitert.
Was passiert in der Branche?
Einer unserer Point-of-Sale-Experten, GIM Senior Research Manager Florian Reinhard, kennt die Entwicklungen der Branche: „Die Händler haben verstanden, dass sich das Geschäft nicht zum reinen Online-Shopping verlagern wird. Der Offline-Store ist weiterhin extrem wichtig.“ Denn was der stationäre Handel dem Online-Shop voraus hat, ist die emotionale Bindung, das tatsächliche Einkaufserlebnis und der Face to Face-Kundenkontakt, so Florian. Selbst Online-Riesen wie Amazon und Alibaba haben in der letzten Zeit Offline-Stores eröffnet. Amazon, startete vor zwei Jahren das Filialsystem „Amazon Go“: Beim Verlassen einer Filiale zahlt der Kunde automatisch per App, gesteuert von KI (hier haben wir bereits darüber geschrieben). Das Konzept scheint bisher jedoch wenig Fuß gefasst zu haben, es gibt in den USA elf Filialen in drei Bundesstaaten.
Was ermöglicht KI am PoS?
Das Intelligent Retail Lab ist dabei ernstgemeint. Der Händler will erproben, in welchen Bereichen der Einsatz von KI sinnvoll sein kann. Schneller, sauberer und smarter soll die Filiale werden. KI soll das Einkaufserlebnis der Kunden so angenehmer machen. Und die Mitarbeiter in den Filialen haben durch die automatische Steuerung mehr Zeit, sich um den Kunden-Kontakt zu kümmern.
Konkrete Ideen, was die KI übernehmen kann, sind vorhanden: Zum Beispiel können weitere Kassen geöffnet werden, schon bevor Schlangen entstehen. Generell könnte die Lagerhaltung effizienter gestaltet werden. Und das System könnte auch – ganz nebenbei – erkennen, wenn mal eine Gemüsekonserve runtergefallen ist und jemand aufwischen muss.
In der ersten Phase werden hauptsächlich zwei Vorgänge optimiert: Leere Fächer im Regal sollen sofort wieder gefüllt und Lebensmittel, die zu lange im Regal liegen, aussortiert werden. Über die KI werden den Mitarbeitern Benachrichtigungen auf ihre Devices gesendet. Die Benachrichtigungen enthalten Details über die Regal- und Fachnummer, das Problem und die betroffenen Produkte.
Die KI erkennt leere Fächer und gibt Mitarbeitern das Signal, neue Ware aus dem Lager zu holen. Video (gekürzt, Ton entfernt): Walmart.
Was denken die KonsumentInnen?
Online-Shops verfolgen während des Einkaufs jeden Schritt der KonsumentInnen und haben eine breite Datengrundlage, aufgrund derer sie ihr Angebot optimieren können. In einer Filiale ist das jedoch schwierig. Sensoren wie im Walmart IRL könnten Daten liefern, die Retailern die Optimierung ihrer Märkte vereinfachen. Die GIM bietet dazu auch verschiedene Methoden an, zum Beispiel Wifi-Tracking oder Attention Tracking via Mini-Kameras.
In Europa muss dabei die DSGVO, aber auch die Einstellung der KonsumentInnen gegenüber neuen Technologien beachtet werden, weiß Florian: „Aktuell sollten Supermärkte vorsichtig sein, um ihre Kunden nicht abzuschrecken.“ Im Schnitt ist die US-Bevölkerung technikaffiner und eher bereit, neue Technologien in ihrem Alltag zu akzeptieren. Aus seiner Forschung weiß Florian: In Europa und speziell Deutschland ist besonders der Aspekt des Datenschutzes zentral. Dem Monitoring stehen KonsumentInnen hier noch skeptisch gegenüber.
Ist das die Zukunft?
Auf kurz oder lang gewöhnen sich die Shopper wohl an Sensoren über den Regalen. Ob dabei aber jeder Supermarkt ein eigenes Rechenzentrum mit über hundert Servern benötigt, bleibt abzuwarten. Der Trend in Richtung KI-unterstütztem Offline-Handel ist in jedem Fall da. Florian war vor ein paar Wochen gemeinsam mit Dr. Stephan Telschow, Corporate Director bei der GIM, auf der POS Connect München. Auch dort war die KI im Supermarkt allgegenwärtig. (Stephan hat dort einen Vortrag gehalten über die Konsumentenbereitschaft, persönliche Daten zu teilen).
Welche Konsequenzen Walmart aus seinem Feldversuch zieht, bleibt abzuwarten. Die Investition in das IRL zeigt jedoch, dass KI auch in Offline-Stores Einzug halten wird.
Wenn Ihr Interesse oder Fragen zu unserer PoS-Forschung habt, wendet Euch gerne direkt an Florian!