Vom Paradeplatz ins Kraftwerk – News von der Schweizer Fintech Szene

26. September 2019 | Dr. Mirjam Hauser

Unsere Schweizer Kollegin Dr. Mirjam Hauser hat die Swiss Fintech Fair, die größte Fintech-Messe in der Schweiz besucht. Im Radar berichtet sie von ihren Eindrücken und teilt ihre Einschätzungen zu den Fintech Start-Ups in der Schweiz. Mirjam forscht seit über 12 Jahren zu Megatrends wie der Digitalisierung und deren Auswirkungen auf das Kosumverhalten.

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ie Swiss Fintech Fair findet wenige hundert Meter entfernt vom Paradeplatz statt, einer der teuersten Lagen der Stadt und Machtzentrum traditioneller Schweizer Finanzunternehmen wie UBS und CS. Allein der Ort ist Sinnbild für die Veränderungen, die Start-Ups aktuell vorantreiben: Das einstige Elektrizitätswerk beherbergt heute in seiner ehemaligen Transformatorenhalle Meeting- und Workshopräume, einen grossen Eventraum sowie ein gemütliches Café mit Aussensitzplätzen direkt am Fluss Sihl.

Live, work, create – das Motto der Swiss Fintech Fair (Bild: Swiss Fintech Fair 2019)

Im Kraftwerk arbeiten Grossunternehmen, Organisationen, Start-Ups, Selbständige und Kreative in firmen- und branchenübergreifender Kollaboration an nachhaltigen Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit. Und das benötigt die Finanzbranche offensichtlich – denn allein die Anzahl und Diversität an Problemen, die die Start-Ups adressieren, zeugen von dringendem Handlungsbedarf.

Für die Swiss Fintech Fair stellten in diesem Jahr 50 Fintech-Firmen im Kraftwerk aus. Zusätzlich wurde eine Vielzahl an Workshops, Vorträgen und Pitchen angeboten. Über 700 Besucher zählte die Messe, entsprechend herrschte reger Betrieb. Die an den Gesprächen und Pitchs interessierten Zuhörer strömten in den historischen Kommandoraum im hinteren, höheren Teil der Halle, welcher aber mit seinen rund 45 Sitzen zu wenig Platz bot.

Hier bin ich (stehend) am Zuhören im “Kommandoraum” ?  (Bild: Swiss Fintech Fair 2019)

Ein grosses, immer wiederkehrendes Thema war eine bessere Nutzung und Analyse von (finanziellen) Daten. Konkret ging es um die Frage, wie digitale Lebens- und Finanzdaten mithilfe künstlicher Intelligenz nutzbar gemacht werden können (ganz im Sinne des Megatrends Algorithmisierung aus unserer Studie Values&Visions). Der Gründer von Private Alpha zum Beispiel erzählte von der Entwicklung eines Programms, das dank künstlicher Intelligenz tausende von Daten analysiert und darauf aufbauend Anlagelösungen aufzeigt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Berechnungen, die solche Daten statisch aufbereiten, ist das Modell von Private Alpha dynamisch.

Die Idee des Empowerments von Konsumenten kam auch an anderen Stellen noch expliziter zur Sprache. So versprach Daniel Schmidheiny, Co-Gründer von vlot Lebensversicherung, ganz unabhängig von Produkten zu denken und tatsächlich die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Vlot analysiert anhand verschiedener Fragen das Lebensmodell und die Ziele der Menschen und schlägt dann eine massgeschneiderte Lebensversicherung vor. Soweit machen das andere aber ähnlich. Wirklich spannend ist, dass man die Versicherung bei relevanten Lebensereignissen wie Heirat, Hauskauf oder Jobwechsel jederzeit unkompliziert anpassen kann! Denn bisher vertreiben traditionelle Anbieter meist langfristige, statische Lebensversicherungen.

Großer Andrang bei den Vorträgen im “Kommandoraum” (Bild: Swiss Fintech Fair 2019)

Überhaupt hatte man das Gefühl, dass die Start-Ups den zukünftigen Kunden näher stehen. So auch Yova, die die Kernthemen der „Fridays for Future“-Anliegen aufgreifen: Durch ihre Geldanlagen soll eine nachhaltigere Welt geschaffen werden. Mittels Impact Investing sollen Finanzpraktiken nicht nur der Finanzindustrie nützen, sondern den Menschen und ihrer Umwelt selbst. Laut Yova soll es selbst Finanz-Neulingen ganz einfach gemacht werden, in eine verantwortungsvolle Zukunft zu investieren. Man kann seine eigenen Themen und Schwerpunkte setzen, Yova kümmert sich ums kontinuierliche Risikomanagement. Transparenz wird nicht nur bei den Anlagen grossgeschrieben, sondern auch bei den Gebühren: Es gibt keine versteckten Kosten.

In der Summe der vorgestellten Start-Ups, den Referaten und Diskussionen lässt sich zusammenfassen, dass die Finanzbranche vor grossen Herausforderungen steht. Es gilt mit den Möglichkeiten der neuen Technologien Kunden umfassender, personalisierter und transparenter zu beraten sowie entsprechend nachhaltige und verantwortungsvolle Angebote zu entwickeln.


Bei Fragen rund um die Swiss Fintech Fair und die Megatrends der Zukunft könnt ihr euch gerne an Mirjam wenden: m.hauser@g-i-m.com 

 

Hier erfahrt ihr mehr über die Zukunfts- und Trendforschung von GIM foresight: www.gim-foresight.com

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