Urban Gardening in der Heidelberger Weststadt

Zusehends ragen zwischen Häusern, asphaltierten Straßen und dem städtischen Getümmel Grünflächen, Wildblumenwuchs und sogar Beete mit Essbarem hervor. Urban Gardening heißt der nicht abebbende Trend, der nicht nur in Großstädten wie Berlin für eine bunte Abwechslung sorgt. Oft entsteht aus der Lust, etwas Grün ins städtische Grau bringen zu wollen, ein gemeinschaftliches Event, dass in vielerlei Hinsicht Früchte trägt. GIM Radar traf sich mit Hannah Strobel, Mitglied des gemeinnützigen Vereins „Essbares Heidelberg“, um mit ihr unter anderem übers Gärtnern zu sprechen.

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Von der Straßenbahn ins Grüne: Interessierte Passanten schlendern durch den Garten und bestaunen die Velfalt der Pflanzen. Bilder: Dominique Facciorusso.

Hallo Hannah! Wie schön, dass du dir Zeit für unser Interview genommen hast. Ich freue mich!

Danke auch, ich freue mich über das Interesse an unserer Arbeit 🙂

Erzähl mal – wir stehen jetzt hier gerade in der Heidelberger Weststadt inmitten eines kleinen hübschen Gemüse-, Kräuter- und Blumengartens. Ich sehe weder Türen noch Grenzzäune. Was hat es hiermit auf sich?

Das hat zwei Gründe: Zum einen hat es mit der Beschaffenheit unserer Fläche zu tun. Durch sie quert trotz unseres Gartens ein öffentlicher Weg, der genutzt werden kann. Zum anderen kommt diese Offenheit unserem Konzept von einem ‘Garten für Jedermann’ zu Gute. Wer Lust hat, darf hier mitmachen, pflanzen und ernten… Der Garten heißt alle willkommen 🙂

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Jeden Mittwoch ab 17 Uhr finden sich hier in der Weststadt fleißige Helfer ein, um zu pflanzen, Unkraut zu rupfen und zu gießen. Bilder: Dominique Facciorusso.

Wie kamt ihr auf die Idee Urban Gardening zu betreiben?

Das hat sich im Laufe unseres Vereinslebens entwickelt: Ein paar Leute von der Grünen Hochschulgruppe hier in Heidelberg hatten zu Beginn die Idee, die Stadt ‚grüner‘ und ‚essbarer‘ zu machen. Es sollten vor allem brachgelegene Flächen besser genutzt werden, indem sie zum Beispiel mit essbarer Saat bepflanzt werden. Zudem sollten die Grünflächen den Menschen, durch das Gärtnern und das soziale Miteinander, einen Raum zur freien Entfaltung bieten. Wir haben uns dann entschlossen einen Verein zu gründen, der es sich zur Aufgabe macht, diese ungenutzten Flächen in Heidelberg in ökologische Gärten umzuwandeln. Zu dieser Zeit steckte das Thema Urban Gardening noch in den Kinderschuhen… Der Verein hat sich sozusagen parallel zum Trend des Stadtgärtnerns entwickelt und so werden wir mittlerweile oft als ‚Urban Gardening‘-Verein bezeichnet.

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Eine willkommene Abwechslung zum urbanen Grau: Überall strotzt es nur so vor saftigem Grün und Farbtupfern. Bilder: Dominique Facciorusso.

Wer sorgt eigentlich dafür, dass der Garten so in Schuss bleibt, nichts verdurstet und es am Ende auch etwas zum Ernten gibt

Die grundsätzliche Organisation wie etwa die Erstellung eines Garten- und Gießplans oder die Beschaffung von Pflanzen übernimmt der Verein Essbares Heidelberg. Wir stellen die Rahmenbedinungen. Dennoch liegt es uns auch am Herzen, dass die Nachbarschaft in das Gärtnern miteingebunden wird, indem die wöchentlich anfallende Gartenarbeit – wie etwa im Weststadtgarten – auch von den Anwohnern übernommen wird. Unser Traum wäre es natürlich, dass in jedem Viertel dieser Stadt solche Gärten entstehen. Wir, als Verein Essbares Heidelberg, würden diese Gärten gerne alle zusammenbringen, damit daraus ein großes Netzwerk entsteht.

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Vom Gemüse, über Beeren, bis hin zu Obst und Kräutern – der Garten hat fast alles zu bieten. Bilder: Dominique Facciorusso.

Die ersten Schritte dorthin sind ja schon mal gegangen 🙂 Jetzt mal ganz praktisch: Angenommen, es kann geerntet werden, wie läuft das dann genau ab? Nach dem Motto „Wer zuerst kommt malt zuerst“ oder wird fair geteilt oder sogar gemeinschaftlich verspeist?

Diese Frage hat unterschiedliche Antworten. Zum einen ist ja der Garten, wie gerade erwähnt, ein offenes Projekt. Das bedeutet auch, dass jeder im Garten vorbei kommen kann und sich ohne Gegenleistung Gemüse oder Obst mitnehmen darf. Das hat auch den Vorteil, dass viele Menschen so auf das Projekt aufmerksam werden und sich vielleicht sogar überlegen, Eigeninitiative zu ergreifen. Zum anderen, treffen wir uns zwei Mal wöchentlich zum gemeinsamen Gärtnern. Wenn etwas zu diesem Zeitpunkt erntereif ist, wird das selbstverständlich geteilt 🙂 Es wäre natürlich wünschenswert, wenn man erntet und sich beteiligt, aber grundsätzlich gilt: Jeder ist willkommen!

Wie kommt denn der Garten bisher in der Nachbarschaft an?

Wir sind jetzt in der dritten Gartensaison. Ich glaube wir haben mittlerweile auch die letzten Kritiker davon überzeugt, dass uns das Gärtnern in der Stadt eine ernste Sache ist. Wenn wir vor Ort sind, werden wir sehr oft von vorbeilaufenden Passanten angesprochen, die unsere Arbeit loben. Das Feedback zeigt, dass der Garten nicht nur toll aussieht, sondern auch sonst als Bereicherung im Viertel wahrgenommen wird. Dabei sind die Kinder, die uns wissensbegierig Löcher über den Garten in den Bauch fragen, das größte Lob. Es zeigt, dass das Projekt mehr ist, als nur „einfaches Gärtnern“! Der Garten stellt vielmehr einen Vermittlungsraum dar, in dem Wissen und Bildung weitergegeben werden.

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Die Passantin fühlt sich an ihre eigene Gartenzeit erinnert und erzählt ihrem Begleiter Wissenswertes zu ein paar erkannten Pflanzenarten. Bilder: Dominique Facciorusso.

Und gibt es fleißige Helfer aus der direkten Umgebung?

Absolut! Die Nachbarschaft beteiligt sich immer noch rege, sei es in Form des „Mitgärtnerns“ oder auch indem sie uns hilfreiche Tipps geben wie zum Beispiel eine bestimmte Pflanze noch besser wächst. Aber auch an dieser Stelle sei nochmal gesagt: Jeder ist herzlich willkommen und je mehr Leute mitmachen, desto „fruchtbarer“ für alle Beteiligten!

Vielleicht mal ein kleines Zwischenfazit: Was sind das bisher für Menschen, die sich an Garten-Projekten wie diesem beteiligen?

Da dieser Verein aus einer studentischen Hochschulgruppe entstanden ist, setzt sich die Mehrheit der Beteiligten aus Studenten zusammen, zumindest was die organisatorische Konzeption betrifft. Im Gegensatz zum Gärtnern: Dort kommen wirklich alle Altersgruppen bunt gemischt zusammen! Das freut uns natürlich sehr 🙂

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Ob Groß oder Klein – alle machen mit. Die Jüngsten entdecken in der Erde völlig begeistert so manchen Schatz. Ups, war nur ein Stein, aber freuen tut man sich darüber trotzdem 🙂 Bilder: Dominique Facciorusso.

Wie ist dein bzw. euer Gefühl: Was hat sich hier im Viertel durch den Garten verändert?

Wir haben noch keine Evaluation gemacht, aber das direkte und meist spontane Feedback von den Passanten zeigt uns, dass unser Garten in den Köpfen der Menschen in vielerlei Hinsicht präsent ist. Sei es, dass sich ältere Damen und Herren an ihr eigenes Gartenwissen erinnert fühlen und es mit uns teilen. Oder auch, dass Kinder wissen wollen wie eine Paprika oder eine Kartoffel wächst. Der Bildungsaustausch spielt eine wichtige Rolle für den Garten und das Viertel. Das Projekt zeigt den Menschen, dass Gärtnern nicht nur mit Anstrengung und Arbeit verbunden ist, sondern vor allem auch einen Platz für Wissensaustausch, soziales Miteinander und kulturelle Vielfalt bietet. Der Garten bringt die Menschen zusammen!

Was hat dich persönlich angeregt bzw. motiviert bei einem Urban Gardening-Projekt mitzumachen?

Meine Motivation entstand zum einen aus der Lust am Gärtnern. Außerdm halte ich mich sehr gerne draußen auf und bin zudem davon überzeugt, dass die Erzeugung von regionalem und ökologisch nachhaltigem Obst und Gemüse, auch in der Stadt möglich sind.

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Mohn, Erdbeeren, Kürbisse und Salat – wo das Auge auch hinreicht, es gibt jede Menge zu entdecken. Bilder: Dominique Facciorusso.

Es ist ja schon das ein oder andere Wort zu eurem Verein „Essbares Heidelberg“ gefallen. Vielleicht kannst du uns noch ein bisschen mehr erzählen? Seit wann gibt es euch zum Beispiel?

Also unseren Verein haben wir 2013 gegründet. Den Anfang hat ein kleiner Gartenstreifen in Rohrbach gemacht, der uns freundlicherweise von einem Anwohner zur Verfügung gestellt wurde. Mit der Vergrößerung des Vereins entstand dann auch der Wunsch nach einer größeren Gartenfläche, die wir durch eine Petitionsveranstaltung von der Stadt Heidelberg zur Verfügung gestellt bekommen haben.

Und da stehen wir gerade mittendrin?

Genau 🙂 gemeint ist der Garten hier in der Weststadt. Mittlerweile haben wir noch eine Fläche mit Hochbeeten an einer Flüchtlingsunterkunft in der Hardtstraße und einen Garten an der Senfmühle in Rohrbach. Durch die unterschiedlichen Gärten wirken auch unterschiedliche Menschen mit, was sehr unserem Wunsch nach Vielfalt entgegen kommt.

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Jeder der Lust hat ist Willkommen! Egal ob zum Helfen, Ernten oder auch nur um zu schauen. Je mehr aber natürlich mitmachen, desto fruchtbarer für alle Beteiligten! Bilder: Dominique Facciorusso.

Und wie finanziert ihr euch?

Da jeder bei uns mitmachen kann und die Gärten für alle offen sind, haben wir auch keine festen Mitgliedsbeiträge, sondern finanzieren uns durch Spenden. Unsere Kürbissuppe, die wir jedes Jahr am Weststadtweihnachtsmarkt verkaufen dürfen, hat sich mittlerweile zu einem richtigen Verkaufsschlager entwickelt! Damit sammeln wir meist genug Geld für Werkzeuge und Saatgut ein. Jedoch haben wir für die Fläche in der Weststadt eine Starthilfe gebraucht. Hier hat uns die Stiftung anstiftung&ertormis unterstützt, die gezielt Urban Gardening-Projekte fördern. An dieser Stelle nochmal ein großes Dankeschön an alle Unterstützer des Projekts!

Vielleicht ein kleiner Blick in die Zukunft: Sind demnächst noch ähnliche Projekte in Heidelberg geplant, um die Stadt noch grüner, schöner und essbarer zu gestalten?

Momentan haben wir vier Flächen, die wir bewirtschaften und sind somit personell gut ausgelastet. Aber wir sind immer offen für neue Anregungen, Projekte, Flächen und Menschen. Am besten immer eine Email schreiben an EssbaresHeidelberg@gmx.de oder zu unserm Dienstagstreffen in der ZEP (Zeppelinstraße 1) um 19.30 Uhr kommen.

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Immer wieder betreten Interessierte den Garten, genießen die Stimmung, knipsen ein paar Bilder oder fragen die gärtnernden Helfer nach dem Projekt. Bilder: Dominique Facciorusso.

Hannah ich danke Dir ganz herzlich für deine Zeit und wünsche Euch weiterhin einen guten grünen Daumen und ein ertragreiches Jahr!

Danke euch für das Interview!

 

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