Sunday Assembly: Gottlose Messen für mehr Gemeinschaft

Sonntagmorgen: hunderte Menschen sind versammelt um zu singen, zu schweigen, sich auszutauschen und Vorträgen zu lauschen. Klingt nach Kirche, ist aber ein Treffen von AtheistenInnen, auf der Suche nach mehr “wir”. Sunday Assembly heißt die Gemeinschaftsorganisation, die innerhalb eines Jahres jetzt schon weltweit über 63 „Pfarreien“ zählt.

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Die britischen Komiker und Nicht-Gläubigen Sanderson Jones und Pippa Evans haben 2013 in London das Original der Sunday Assembly gegründet. Bildquelle: YouTube.

Die zwei britischen Komiker und Gründer der Bewegung, Sanderson Jones und Pippa Evans, hatten vor einem Jahr eine Idee: Unter dem Motto „live better, help often, wonder more“ soll mit den Sunday Assemblies das Leben gefeiert und Gemeinschaft gefördert werden. Der Ablauf ist ähnlich wie der bei einem Gottesdienst: Es gibt viel (Pop)Musik und Vorträge zu – und das ist wichtig – philosophischen oder naturwissenschaftlichen Themen. Anschließend können sich die Besucher bei Kaffee und Kuchen austauschen und besser kennenlernen.

Die Sunday Assembly unterliegt nach Angaben der Veranstalter keinen Doktrin, Schriften, Gottheiten oder Ähnlichem. Sie soll vielmehr ein Ort der Empathie, der Offenheit und Akzeptanz sein, der für jeden kostenlos zugänglich ist. Die Veranstalter haben die Vision, dass es an jedem Ort solch eine “gottlose Gemeinschaft” geben kann, die den Menschen dabei hilft, das Leben zu leben, das sie führen möchten und die Menschen zu sein, die sie sein wollen. Assemblies sozusagen als handelnde Gemeinschaften, in der sich ihre Mitglieder gegenseitig unterstützen und helfen.

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Sunday Assemblies finden in Deutschland immer größeren Anklang, wie hier in Hamburg. Bildquelle: CC-BY-4.0 Sunday Assembly Hamburg, Fotograf: Rainer Sax.

Wir leben heute in einer schnelllebigen und zunehmend digitalisierten Welt, in der nicht alle als Sieger hervorgehen. Die Versammlungen wollen zum Beispiel gezielt gegen Problematiken wie sozialer Isolierung und Einsamkeit vorgehen, die v.a. in den Großstädten eine immer größere Rolle spielen. Nach Angaben einer Umfrage, die innerhalb der Sunday Assembly durchgeführt wurde, fühlen sich die meisten Teilnehmer, die regelmäßig zu den Veranstaltungen gehen, glücklicher und zufriedener mit ihrem Leben. Zudem gaben die Befragten an, sich als Teil einer Gemeinschaft zu fühlen und durch die Treffen mehr Bekanntschaften bzw. Freundschaften zu haben.

Auch aus wirtschaftlichen Gründen hat die Verbreitung solcher Gemeinschaften viele Vorteile, so die Gründer weiter: Aufgrund des demographischen Wandels ist die zunehmend alternde Bevölkerung auf eine Gemeinschaft angewiesen, in der man aufeinander Acht gibt. Da der Staat keine ausreichende Unterstützung bietet, müsse daher über alternative Lösungen nachgedacht werden, die den Menschen bei der Auseinandersetzung mit ganz existenziellen Themen hilft.

Wäre Atheismus eine Konfession, dann wäre sie heute schon in Deutschland die größte, denn fast jeder vierte glaubt an keinen Gott. Alleine im letzten Jahr hat die katholische Kirche 180.000 Mitglieder verloren. Die Atheisten-Bewegung trifft also scheinbar den Nerv der Zeit und findet durch das Internet weltweit schnelle Verbreitung. Erst kürzlich hat sich in Hamburg und Berlin eine eigene Sunday Assembly gegründet, bei deren erster Veranstaltung kein Stuhl frei blieb. Der hohe Andrang bei Jung wie Alt bestätigt die Sehnsucht vieler nach Entschleunigung und mehr Gemeinschaft – und das ohne religiöse Verpflichtungen.

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Die erste Berliner Sunday Assembly war ein voller Erfolg. CC-BY-4.0 Sunday Assembly Berlin, Fotograf: Frank Nicolai.

Obwohl es sich bei der Sunday Assembly noch um eine sehr junge Bewegung handelt, gibt es in Großbritannien und den USA bereits erste Abspaltungen innerhalb der Gemeinschaft – eine Glaubenskrise bei den Gottlosen sozusagen.

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