Mumbai, Sao Paolo, New York, Beijing: Forschung in Megacities ist meist auch Megaspannend. Doch gerade in Märkten, die vielleicht nicht 100% im Marktforschungsfokus stehen, warten oft überraschende und interessante Erfahrungen auf unsere StudienleiterInnen. Unsere Kollegen Research Director Dr. Tomas Jerković und Senior Research Manager Edwin Zijderveld können das bestätigen: Sie waren kürzlich unterwegs in Südosteuropa, genauer: in Kroatien, Ungarn, Slowakei, Mazedonien und Griechenland. Beide haben einen speziellen Bezug zu dieser Region Europas: Tomas ist gebürtiger Kroate, Edwin hat in Rumänien studiert.
Über ihre vielfältigen Learnings zum Thema Marktforschung in Südosteuropa berichten sie für uns im GIM Radar – und zwar in zwei Teilen. Im ersten Teil beschreiben sie aus der Vogelperspektive, unter welchen Bedingungen man in dieser Region forscht. Dabei stehen vor allem die Gemeinsamkeiten der Märkt im Fokus. Im zweiten Teil (folgt Ende der Woche) gehen sie detaillierter auf drei Märkte ein: Kroatien, Ungarn und Griechenland. Viel Spaß beim Lesen!
Unbekannte Region: Ungeahntes Potenzial!
Südosteuropa gilt bislang nicht unbedingt als „Marktforschungs-Hot Spot“ in Europa, das stimmt schon. Vor allem im Vergleich zu manch notorisch „überforschtem“ Sample Point des restlichen Kontinents. Das heißt aber nicht, dass dort nicht Marktforschung auf durchaus hohem Niveau möglich ist, im Gegenteil. Okay, einiges lief anders als geplant, aber am Ende waren unsere Kunden (und wir auch 🙂 ) eben doch immer zufrieden. Viele Überraschungen, viel zu entdecken, viel Potenzial – so könnte man unseren „deep dive“ durch diese spannende, noch recht unbekannte Research Region umschreiben. Was uns dabei vielleicht in der Rückschau am meisten fasziniert: die praktische Forschungsarbeit fand auf verschiedenen Dimensionen in einer Art Spannungsfeld voller Paradoxien statt. Was heißt das?
Marktforschung in Südosteuropa: Research paradox
Einerseits musste zum Beispiel häufig improvisiert werden – anderseits erlebten wir aber auch viel Professionalität auf Seiten unserer Partner. Einerseits waren viele Probanden recht forschungsunerfahren – andererseits erlebten wir sie (gerade deshalb?) hoch motiviert und authentisch. Einerseits forschten wir in Studios mit bröckelnden Fassaden – anderseits war das Netz dort meist deutlich schneller als hierzulande und die Research Infrastruktur ordentlich. Heißt: was uns mit unseren routinierten Abläufen erst stutzig machte oder gar riskant erschien, stellte sich als durchaus handhabbar – oder gar als Vorteil heraus. Bei aller Unterschiedlichkeit zwischen den besuchten Märkten, ist das der „Rote Faden“, der die Region unter MaFo-Aspekten verbindet.
Studienorganisation: Unsicherer – dafür flexibler
Die besuchten Märkte sind vergleichsweise kleine Länder. Heißt: weniger Direktverbindungen sowie mehr Reisezeit und Puffer für Umsteigen, bzw. den Wechsel von Verkehrsmitteln. Wer zudem auf typisch deutsche Planungsverlässlichkeit hofft, sollte sich umstellen: viele Abläufe sind weniger strukturiert, Termine werden etwas flexibler gehandhabt, Interviews können später anfangen, bestellte Leistungen sind kurzfristig mal nicht verfügbar. Aber: die geringere Planungssicherheit wird durch große Improvisationskunst wettgemacht! Beispiel: das bestellte Online-Streaming funktioniert nicht? Es wird kurzerhand ein Livestream über YouTube eingerichtet, inklusive zweiter Tonspur. Hilfreich dabei: der Betreuer der Videoanlage ist zugleich IT-Spezialist, der einfach Plan B oder C umsetzen kann. Die Respondenten warten derweil verständnisvoll sie kennen es aus ihrem eigenen Alltag.
Infrastruktur: Never judge a book by its cover…
Rein faktisch stimmt es: die Infrastruktur gerade für qualitative Forschung ist nicht durchgehend optimal. So fehlte z.B. in Griechenland teilweise die gewohnte Ausstattung (Beobachtungsraum, Einwegspiegel, Dolmetscheranlage). Oder die Studios befanden sich in ehemals normalen Wohnräumen, die umgebaut wurden. Es wäre aber falsch, daraus zu schließen, die Institute vor Ort würden nicht professionell arbeiten. Zudem staunten wir in manchen Sample Points (z.B. Mazedonien oder Slowakei) nicht schlecht über Tech-Parameter, wie etwa die Geschwindigkeit der Datenübertragung. In der deutschen Funkloch-Republik sind die Fassaden meist schöner – das Netz war dafür hier oft schneller. Fazit: nie vom Äußeren täuschen lassen, innen sieht es in der Regel anders aus.
Kultur: Different – not same same
Auch wenn die Länder teilweise eine gemeinsame Vergangenheit haben und geografisch nicht weit voneinander entfernt liegen mögen: kulturell können sie teilweise sehr verschieden sein. Beispiel: in den ehemals kommunistischen Ländern können sich Respondenten unbehaglich fühlen, wenn es um private Daten geht oder darum, beobachtet zu werden (Einwegspiegel). In Griechenland war das wiederum nicht der Fall. Insgesamt können wir nur ausdrücklich davor warnen, aufgrund der relativen geografischen Nähe, die Märkte über den gleichen „kulturellen Kamm“ zu scheren. Tipp: eine gründliche Internetrecherche vorab oder ein Briefing der Partner vor Ort.
Studienpraxis: Es läuft – auch wenn‘s mal ruckelt
Die Branche ist noch jung, Respondenten in Studien weniger erfahren – mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt. Teils erlebten wir StudienteilnehmerInnen als etwas unsicher, da rund um Fokusgruppe oder Interview noch nichts eingeübt ist. Dafür waren sie aber sehr authentisch, „Profi-TeilnehmerInnen“ gab es kaum. Thema Sprache: Übersetzungen in die lokalen Sprachen können aufwendiger sein. In der Regel beherrschen lokale Übersetzungsbüros aber recht viele Sprachen. Die Sprachkenntnisse der lokalen Partner haben wiederum stark gestreut: von lückenhaft Englisch und Deutsch bis fließend mehrsprachig. Weiterhin zu beachten: es werden teilweise andere Schriftarten verwendet (wichtig etwa bei bestimmten kundenspezifischen Schriftarten, die zum Beispiel nicht in Kyrillisch, Griechisch oder Ungarisch verfügbar sind).
Partner: Kompetent und hoch motiviert
In Sachen Fachkompetenz kann man nur eins sagen: Management und überwiegender Teil des Staffs unserer Partner war meist professionell, hoch qualifiziert und hoch motiviert. Man spürt, dass die Branche hier nicht gesättigt ist, dass man Business generieren will, dass Ambitionen bestehen, die Marktforschung nach vorne zu bringen. Kleinere lokale Partner hatten uns stellenweise einen echten „VIP Service“ beschert: zum Beispiel wurden wir am Wochenende persönlich vom Flughafen abgeholt und nach der Feldarbeit ins Hotel gebracht. Nicht zuletzt aufgrund der geringeren Lohnkosten können unsere Partner einen höheren Personalschlüssel bieten – was die Flexibilität erhöht und Sonderwünsche umsetzbar macht (zum Beispiel bei IT-Fragen, Video, Catering, u.v.m.).
Soweit unser erster Teil zum Thema Marktforschung in Südosteuropa. Den zweiten Teil finden Sie hier.
Und hier geht es zu unseren Partnern vor Ort:
Kroatien: Valicon https://www.valicon.net
Ungarn: Trend International http://www.trendinternational.hu/
Griechenland: Global Link http://www.globallink.gr/1_1/HomePage
Mazedonien: Market Vision www.mvision.com.mk
Slowakei: ACRC www.acrc.sk
[…] fünf Märkten in Südosteuropa durch. Ihre konkreten Erfahrungen vor Ort schilderten sie bereits im ersten Teil ihrer Reportage – Fazit dabei: Marktforschung in Südosteuropa ist stellenweise noch etwas exotisch, hat aber […]