GIM Food Forschung: Kochblogs aus Sicht der Marktforschung (Teil 2)

Gibt man „Food Blog“ bei Google ein, erhält man knapp 800 Millionen (!) Ergebnisse zum Thema: Von ‘Veganer Hausmannskost’, über ‘Rezepte für Kids’, bis hin zu ‘Kochen wie zu Omas Zeiten’ – mit einem Klick kann man alles haben. Wurden vor einigen Jahren Blogs noch eher als Hobby belächelt, so gewinnen sie heute nicht nur bei den User, sondern auch vonseiten der Unternehmen und in der Food Forschung immer mehr an Bedeutung. Lesen Sie hier den zweiten Teil des Interviews mit dem Food-Experten der GIM, Kurt Imminger, über den Erfolg und die Zukunft der Food Blogs.

Aus der Leserperspektive: Was hat ein Blog, was ein Kochbuch oder eine gute Food-Zeitschrift nicht haben? Den Kostenfaktor mal ausgenommen.
Dynamik und Vielfalt.

Dynamik ist glaube ich klar: Man kann auch mit Videos bei der Zubereitung arbeiten und zum Beispiel eine Art Lehrfilm drehen. Außerdem gibt es meist aktuelle Rezepte auf der Entry Page eines Blogs, die vielleicht gut ins saisonale Angebot passen. Da ist einfach permanent Bewegung drin und es gibt ständig viel Neues. Die Vielfalt speist sich wiederum aus den Recherche-Möglichkeiten solcher Plattformen. Also inhaltlich reicht so ein Blog oft nicht an den Umfang eines Kochbuchs mit vielen hunderten Rezepten heran. Doch als Leser kann man ja mehrere solcher Blogs nutzen – je nachdem was man grade sucht. So entsteht natürlich schnell eine Vielfalt, mit der kein Kochbuch der Welt mithalten kann.

Karolina Grabowska_Spinach, chicken & pomegranate salad
Mit einem Klick gelangt man an unendlich viele Rezepte aus aller Welt. Fotografie: CC BY Karolina Grabowska. Quelle: kaboompics.

Außerdem sind solche Blogs interaktiver, je nachdem wie sie technisch ausgestattet sind: Jemand probiert ein Rezept aus und kommt dann anschließend mit seinen Erfahrungen zum Blog zurück und kann berichten was gut bzw. nicht so gut war. Man kann hierzu etwa auf dem Blog selbst kommentieren oder das jeweilige Rezept auf den Sozialen Netzwerken verlinken und dort seine Eindrücke zum Besten geben.

Wenn man die Aspekte Dynamik und Vielfalt betrachtet: Könnte man sagen, dass Food Blogs die Kochzeitschriften von heute sind?
Für viele jüngere Menschen dürfte das wohl stimmen. Denn wenn ich an unser Bücherregal denke, dann summieren sich dort die Kochbücher auf mindestens einen Regalmeter. Die ‚Digital Natives‘ haben aber keinerlei Barrieren, Infos schnell mal aus dem Internet zu holen. Außerdem rückt mit der Verbreitung der Tablets und Smartphones das „Regal“ im handlichen Format sehr nahe an den Herd heran. Wenn man im Internet nach einem Rezept sucht, muss man es nicht erst am PC googeln, es dann ausdrucken und mit in die Küche nehmen. Nein. Man legt heute das Tablet in seine Nähe und legt einfach los. Nebenbei kann man noch Spotify laufen lassen oder zeigt sich gegenseitig lustige YouTube-Filmchen, während der Braten im Ofen schmort. Das ist auch kein Trend, der so schnell wieder verschwindet. Ich denke, das wird bleiben.

Geht es bei den Food Blogs eigentlich ausschließlich um das Austauschen von Rezepten? Oder interessiert den Nutzer mehr die jeweilige Lebenswelt, die meistens mit so einem Blog verbunden ist?
Man kann ja mal versuchen in die Blogs einzutauchen und zwischen den Zeilen zu lesen. Wenn man nur mal die 150 Blogs analysieren würde, die es allein in Österreich gibt, dann würde man feststellen, dass sie sich in ihrer inhaltlichen Ausrichtung deutlich voneinander unterscheiden. Der Antrieb für einige Blogs ist zum Beispiel das große Thema Gesundheit: Der eine versteht darunter die Frische der Zutaten und der nächste das Weglassen von tierischem Eiweiß. Dann sind auch Regionalität und Internationalität wichtige Schwerpunkte: Dem einen geht es um Tradition, dem nächsten Blog um Experimentierfreude oder generell um Lebensfreude. Man kann sehen, dass die tiefer liegenden “Blog-Werte” sehr multidimensional sind, ähnlich wie wir das auch in der Food Forschung im Alltag erleben.

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Trennkost, Rohkost oder weizenfrei? Es gibt etliche Ansätze an gesunder Ernährung und dementsprechend viele healthy Food Blogs mit verschiedenen Ausrichtungen. Fotografie: CC BY Monstruo Estudio. Quelle: Stocksnap.

Es reicht aber teilweise sogar, sich einfach nur die Menüstruktur der Blogs anzusehen: Da gibt es natürlich IMMER den Menüpunkt Rezepte. Aber es geht auch oft um Buchrezensionen oder Einkaufstipps. Manchmal kann man auf den Portalen diverse Produkte sogar direkt dort online kaufen. Interviews sind auch ein sehr gängiges Feature. Mich würde es nicht wundern, wenn wir irgendwo auch Yoga-Kurse finden würden.

Und passend zum Yoga-Kurs die yogische Ernährung 🙂 Das bringt mich gleich zu meinem nächsten Punkt: Wie Du gerade indirekt schon angedeutet hast, gewinnen Blogs ja auch von Unternehmensseite allgemein immer mehr an Bedeutung. Wie kommt das?
Wenn man Berichten in Newslettern aus dem Werbeagentur-Umfeld glauben darf, sind gerade Blogger bei Markenartiklern sehr gefragte Testimonials. Die Blogger leben von ihrer Authentizität. Sie bekommen daher oft Produkte zum Austesten oder Bücher zur Rezension und schreiben dann über ihre Erfahrungen. Für den Fall dass eine Rezension positiv ausfällt, hat man sehr gute und vor allem glaubwürdige Fürsprache in einer hoch relevanten Zielgruppe. Manche Blogger können so mit ihren Seiten auch ein bisschen Geld verdienen. Kein Wunder also, dass damit auch der Professionalisierungsgrad insgesamt ansteigt.

Für welche Unternehmen können Food Blogs demzufolge von Interesse sein und warum?
Das dürften weniger die eigentlichen, großen Food-Unternehmen sein. Die Blog-Follower sind für die Unternehmen ja oftmals Konkurrenten, wenn diese die Gemüsebrühe selbst herstellen anstatt Knorr oder Maggi zu verwenden. Viel besser können sich auf den Blogs zum Beispiel Ausstatter präsentieren. Sagen wir WMF oder Fissler, wenn es etwa um eine neue Generation von Töpfen geht oder besonders scharfe und gut in der Hand liegende oder auch “nur” schöne Messer. Also alle Helfer in der Küche können hier zur Sprache kommen. Und ganz klar: Wein! Passende Bücher werden ja derzeit schon sehr häufig rezensiert.

Von Kochbüchern, über Kochutensilien bis hin zum Geschirr – auf einem reichweitenstarken Food Blog kann sich das passende Unternehmen gut präsentieren. Fotografie: CC BY Jay Wennington. Quelle: StockSnap.

Wenn wir einen Blick in die Zukunft wagen: Wie werden sich deiner Ansicht nach Food-Blogs weiter entwickeln bzw. welches Potential liegt dort noch verborgen?
Zum einen wird die Professionalisierung sicherlich weiter zunehmen. Es ist auch naheliegend, dass sich mit weiter zunehmendem Blog-Angebot auch die Spezialisierung bzw. inhaltliche Ausrichtung der Blogs immer weiter ausdifferenziert. Damit müssten eigentlich auch irgendwann sogenannte „Metaportale“ an Bedeutung gewinnen. Also Portale, die je nach Bedarf auf die richtigen Blogs verweisen oder deren Content einspielen. In Ansätzen gibt es das schon bei “Brigitte” und “Essen & Trinken”. Aber das reduziert sich bisher nur darauf, dass die Portale vorgestellt werden.

Ich frage mich, ob der Community-Gedanke auch wieder einen Bogen zurück ins analoge Leben schlagen kann. Maggi als Hersteller hat ja schon seit Jahren richtige Kochstudios in den Städten, um die eigenen Produkte zu promoten.

Inwiefern?
Wenn ein Portal zum Beispiel genügend Verbreitung und damit Schwungmasse hat, könnte es sich für solche Blogs vielleicht anbieten, ihre Follower zu Kochtreffen zu versammeln. Das würde sich dann sicherlich auf große Städte beschränken. Wenn man die Digitalisierung aber weiter denkt, dann könnten sich auch 5-6 Interessenten online zum Beispiel per Skype in ihren jeweiligen Küchen einfinden. Gemeinsam wird dann ausgearbeitet, wie man Moussaka oder Picata Milanese am besten zubereitet oder in einem Aufbaukurs dann Coq au Vin. Die Hobbyköche klemmen dazu ihre GoPro an die Kochmütze und los geht’s …

Kurt ich danke dir für deine Zeit! Ein wirklich interessantes und vor allem köstliches Thema. Bei dem ganzen Gerede über Coq au Vin und Moussaka muss ich jetzt unbedingt nach Hause und was Leckeres brutzeln…

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte direkt an GIM Senior Research Director Kurt Imminger (K.Imminger@g-i-m.com) oder Julia Eymann (j.eymann@g-i-m.com; Vegan-Expertin).

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