Vorbei sind die Zeiten, in denen Vegetarier und vor allem Veganer als ernährungstechnische Außenseiter galten. Würste, Schnitzel, Bolognese oder Nuggets – das alles gibt es längst auch ohne Fleisch. Der Markt passt sich an. Auch die Großunternehmen in der Fleischindustrie investieren neuerdings stark in die Herstellung von Veggie-Produkten. Mit der zunehmend neuen “Ess-Klasse” wächst ein Absatzmarkt, der bei manchen traditionellen Fleischproduzenten auch schon für Kurskorrekturen gesorgt hat. Im Interview mit GIM Radar spricht GIM Research Manager und Vegantrend-Expertin Julia Eymann über den Trend zu Fleischersatzprodukten. Lesen Sie nach dem ersten Part hier nun den zweiten Teil des Interviews.
Apropos Wurst: Bei den Veggie-Produkten findet man auch immer häufiger traditionsreiche Markennamen, die man sonst eher mit Wurst, Schinken oder Schnitzel assoziiert. Grenzt es nicht ein bisschen an Ironie, dass ausgerechnet Fleischkonzerne den Trend zu fleischlosen Produkten in den deutschen Supermärkten vorantreiben?
Na ja, zunächst versuchen die Hersteller diesen Trend ökonomisch zu nutzen – was verständlich und okay ist. Dass es diese Produkte gibt, ist nicht zuletzt auch ein starkes Signal, dass die Lebensmittel-Industrie den Trend ernst nimmt. Daneben würde ich es auch als eine logische Konsequenz der gesellschaftlichen Entwicklung betrachten: Gesundheit ist ein zentrales Thema in der öffentlichen Diskussion. Bei den omnipräsenten Gesundheitstipps und Ratgebern schwingt auch immer die Eigenverantwortlichkeit des Individuums für seine persönliche Gesundheit mit. Inzwischen herrscht ja Konsens darüber, dass Wurst- und Fleischwaren negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben und mitverantwortlich für das Entstehen von Zivilisationskrankheiten wie etwa Adipositas, Diabetes oder Bluthochdruck sind.
Das wirft nicht gerade ein positives Image auf Wursthersteller…
Ja und Nein – denn es gehören ja auch immer die Konsumenten dazu, die für ihr eigenes Ernährungsverhalten die Verantwortung tragen! Gleichwohl könnte sich künftig das Negativimage von Wurstwaren sogar noch weiter verschärfen. Christian Rauffus, Chef der Rügenwalder Mühle hat vor Kurzem gesagt „Es gibt einige in der Branche, die sagen, die Wurst wird die Zigarette der Zukunft“. Soll bedeuten: Genau wie heute das Rauchen, wird auch bald das Wurst- bzw. Fleischessen verpönt sein. Das hat aber nicht allein mit möglichen Gesundheitsrisiken zu tun, sondern auch mit dem heiklen Dauerthema Massentierhaltung. Da ist es umso verständlicher, dass Wursthersteller jetzt auf den Veggie-Trend reagieren. Sie wollen zeigen, dass sie auch gesunde vegetarische Produkte produzieren können, die geschmacklich überzeugen – und das ohne ein schlechtes Gewissen im Nachgeschmack. Es geht also auch ein Stück weit ums Image.
Interessant, was da alles im Hintergrund für eine Rolle spielt. Zurück zum Produkt: Aus welchen Zutaten bestehen denn die fleischlosen Angebote?
Die Fleischersatzprodukte werden in den unterschiedlichsten Formen, Konsistenten und Geschmacksrichtungen angeboten. So ergibt sich eine große Vielfalt im Sortiment von Veggie-Produkten, was sowohl den Geschmack als auch die Verzehrgelegenheit angeht: Die Palette reicht von Streichwurst und Aufschnitt, über Snack- oder Grillwurst, bis hin zur Frikadelle, Bolognese, dem Schnitzel oder „Vischstäbchen“. Zudem gibt es auch ganz unterschiedliche Basiszutaten, aus denen die Produkte bestehen wie Tofu, Seitan, Lupinenprotein, Quorn, Tempeh, Ei oder Milch. Hersteller experimentieren hier viel und bringen auch Produkte mit ganz neuen Grundzutaten auf den Markt.
Also über fehlende Vielfalt kann man sich hier nicht beklagen 🙂
Das stimmt… Was in jüngster Zeit aber besonders zu Kritik an der Veggie-Wurst geführt hat, sind die diversen Aromen, Gewürze und teilweise Geschmacksverstärker, die den Lebensmitteln zugesetzt werden. Die Veggie-Produkte werden dem Konsumenten ja als gesunde Alternative zu Wurst und Fleischwaren angeboten. Verbraucherschützer werfen den Herstellern daher vor, dass solche Produkte aufgrund ihres hohen Salzgehaltes und anderer Zusatzstoffe in Wirklichkeit Mogelpackungen sind.
Das klingt nach Verbesserungsbedarf… Mit welchen Herausforderungen müssen Hersteller von vegetarischen und veganen Produkten somit in Zukunft rechnen?
Die Hersteller stehen hier vor der Herausforderung, kritische und prüfende Konsumenten mit ehrlichen Produkten zu überzeugen, sprich: keine versteckten Zusatzstoffe wie Aromen oder zu viel Salz und sie so langfristig an sich zu binden. Transparenz und Vertrauen sind hierbei besonders wichtige Werte, die in der Kundenkommunikation berücksichtigt werden sollten. Gelingt dies, dann besteht das Potential einer engen Kundenbindung.
Allerdings haben neue Marken im Bereich von vegetarischen bzw. veganen Produkten noch Nachholbedarf, wenn es um ihre Positionierung geht: Häufig können sich Konsumenten auch bei regelmäßig gekauften Produkten im Nachhinein nicht an die Marke erinnern. Im Gegensatz dazu sind natürlich die altbekannten Wurstmarken wie Rügenwalder oder Wiesenhof klar im Vorteil. Jedoch haben sie die große Aufgabe ihr Markenimage zu verändern und ihr Veggie-Sortiment den Konsumenten glaubhaft zu präsentieren.
Julia ich danke Dir für das Interview – ein wirklich sehr spannendes Thema, das wir als Food-Forscher natürlich im Blick behalten werden!
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte direkt an GIM Research Manager und Vegantrend-Expertin Julia Eymann (j.eymann@g-i-m.com). Julia Eymann
[…] geht also auch ein Stück weit ums Image.”, so GIM Research Manager und Vegantrend-Expertin Julia Eymann über den Trend zu Fleischersatzprodukten. Foto: Dominique […]