Die Digitalisierung des Automobils – Teil 2

Wie stehen deutsche Konsumenten zu den aktuellen Entwicklungen in der Automobilbranche? Hier könnt Ihr den zweiten Teil des Interviews mit den Senior Research Managern und GIM-Automotive & Mobility Spezialisten Ulla Wichmann und Stephan Rückert lesen. 

Wir sprachen hier schon über die Vorteile der Digitalisierung im Automobilkontext. Der Trend sorgt aber auch für viel Kritik. Welche Risiken bestehen trotz positiver Aspekte?

Stephan R.: Gerade in Deutschland ist Datenschutz und Privatsphäre ein sehr wichtiges Thema. Da gibt es zahlreiche Bedenken, die teilweise sogar mehr ins Gewicht fallen als der Nutzen der durch die Digitalisierung gesehen wird. Manche Autofahrer fühlen sich geradezu bedroht. Das Auto wird als der (vermeintlich) letzte Hort der Freiheit gesehen, der durch die Digitalisierung nun lückenlos überwacht und reglementiert werden könnte.

Ulla W.: Selbst wenn man Vertrauen in den Hersteller hat: Man kann sich einfach nicht vorstellen, dass ein Automobilhersteller die Daten vor Zugriff von außen schützen kann. Wenn sogar das Handy der Kanzlerin abgehört wird…

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GIM Senior Research Managerin Ulla Wichmann. Foto: Frank Luschnat.

Stephan R.: Exakt. Auch das aktuelle Beispiel, bei dem ein Jeep gehackt und aus der Ferne kontrolliert wurde, ist Wasser auf die Mühlen der Skeptiker. Diese eindrückliche Demonstration zeigt neue sicherheitsrelevante Problemfelder auf, die durch die Digitalisierung entstehen und mit denen sich die Hersteller auseinandersetzen müssen. Die Kunden sind hier – wie man sieht – zu Recht sehr skeptisch.

Betrachten wir mal die Einstellung zu der Entwicklung im Ländervergleich: Wo stehen deutsche Konsumenten im Vergleich zu denen aus den USA und Asien?

Stephan R.: Im Vergleich gibt es da kulturell bedingt deutliche Unterschiede. In Deutschland stehen die Bedenken oftmals im Vordergrund. In Asien und USA gibt es eine größere Offenheit zum Thema Digitalisierung. Die Asiaten können nicht genug bekommen von neuen technischen Spielereien, gerade beim Thema Entertainment. Man darf auch nicht vergessen, dass in China die Autofahrer im Schnitt deutlich jünger sind als in Europa.

Ulla W.: Aus den USA kommt ja letztlich der Trend zur Digitalisierung und wird in einer atemberaubenden Geschwindigkeit vorangetrieben. Ganz pauschal gesagt, sind die Amerikaner gedanklich immer schon einen Schritt weiter, während wir uns in Deutschland noch Gedanke über alle möglichen Probleme machen.

… und wie sieht es mit den Automobilherstellern aus?

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GIM Senior Research Manager Stephan Rückert. Foto: Dominique Facciorusso.

Stephan R.: Die deutschen Hersteller und Zulieferer beobachten diese Entwicklungen sehr genau und sind auch nicht schlecht aufgestellt. Die Innovationstreiber beim Thema Digitalisierung sitzen allerdings unbestritten im Silicon Valley.

Ulla W.: Asiatische Marken sind da allerdings auch mutiger, was die Digitalisierung betrifft. Da wird so manches früher in Serie angeboten als von deutschen Herstellern. Auch da sieht man die Zurückhaltung, die man auch bei den deutschen Konsumenten beobachten kann.

Kommen wir zur abschließenden Frage: Inwiefern braucht man im Entwicklungsprozess der Digitalisierung des Automobils Euch als Marktforscher?

Stephan R.: Die Automobilbranche ist im viel zitierten Umbruch, insbesondere wegen der Digitalisierung und der alternativen Antriebsarten. Ich denke, hier ist Marktforschung ein wichtiges Instrument um am Puls der Zeit zu bleiben. Gerade bei Digitalthemen sind Kunden sehr schnelle Innovationszyklen gewohnt. Die IT Branche überbietet sich jedes Jahr mit neuen technischen Möglichkeiten.

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GIM Senior Research Manager Stephan Rückert. Foto: Dominique Facciorusso.

Und die Modellzyklen sind im Automobilbereich im Vergleich deutlich länger…

Stephan R.: So ist es, umso mehr sollte man gut gewappnet sein. Als Hersteller muss man nicht nur die aktuellen Kundenwünsche abdecken, sondern auch künftige Kundenerwartungen möglichst frühzeitig erkennen. Bei den vielen neuen Möglichkeiten kann Marktforschung auch Orientierung geben. Welche Innovationen sollten mit Priorität vorangetrieben werden? Was ist vielleicht technische machbar, aber für den Kunden eher von geringer Relevanz?

Ulla W.: Auch ist es für die Hersteller wichtig zu verstehen, welchen Aspekten der Digitalisierung oder der alternativen Antriebsarten die Konsumenten positive entgegen sehen – also worauf sie sich freuen – und welche Ängste und Bedenken es gibt. Der Automobilhersteller hat so den Vorteil besser zu wissen, wie er die Innovation kommunizieren sollte und welchen Barrieren er entgegenwirken muss.

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GIM Senior Research Managerin Ulla Wichmann. Foto: Frank Luschnat.

Stephan R.: Für uns als Marktforscher ergibt sich jedenfalls eine Vielzahl an neuen Themen die wir mit großem Interesse beobachten und im Rahmen unser Studien untersuchen.

Damit sind wir schon am Ende unseres Interviews angelangt. Ich möchte mich bei euch beiden ganz herzlich bedanken, ein sehr aufschlussreiches und wahnsinnig spannendes Thema.

Infos zu diesem Thema? Ulla Wichmann (u.wichmann@g-i-m.com) und Stephan Rückert (s.rueckert@g-i-m.com) freuen sich über Euer Interesse.

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