In unserer Rubrik “Am Kicker mit” erhalten wir von unseren GIM-Kollegen spannende Einblicke in unterschiedliche Marktforschungs-Themen. Ron Degen, Research Director in unserem Team für quantitative Marktforschung (GIM Numeric), berichtet am Kicker über multivariate Verfahren und ihren Einsatz in der Marktforschung.
Hallo Ron und Herzlich Willkommen am Kicker!
Ja, vielen Dank, Frank, für die Einladung. Ist mir ein Vergnügen!
Freut mich, mal wieder einen „Numeric“ am Tisch zu haben – der dazu noch einer meiner Lieblings-Spielpartner ist 🙂
Leider kommt das ja die letzten Wochen etwas zu kurz, aber wir können das Spiel heute ja als Kick-Off für weitere nehmen 🙂
Super, dann legen wir mal los. Ron, Du bist Research Director bei GIM Numeric und führst vor allem auch quantitative „Ad hoc-Studien“ durch. Was heißt das genau?
Vielleicht vorab: Im Unterschied zu den Kollegen in der qualitativen Forschung gehört die Leidenschaft der „Numerics“ den Zahlen und repräsentativen Befragungen. Und innerhalb von GIM Numeric gibt es dann die Ad hoc Forschung – da hat man im Vergleich zu den Kollegen, die zum Beispiel Trackingstudien machen, etwas mehr Abwechslung: “Ad hoc” bedeutet, wir machen einmalig eine Studie, um eine aktuelle Forschungsfrage des Kunden zu beantworten.
Zum Beispiel?
Ein Kunde, sagen wir ein Hersteller einer neuen Premium-Kaffeemaschine, ist sich nicht sicher, wer seine Zielgruppe ist, sprich: Wer wird sein Produkt potenziell kaufen? Wie alt werden diese Konsumenten sein? Sind es eher Männer oder Frauen? Wie „ticken“ diese Menschen vom Lebensstil her, und so weiter. Oder: Ein Kunde aus dem Bereich Molkereiprodukte plant verschiedene Produktideen und will jeweils die Marktchancen der unterschiedlichen Varianten ermitteln.
Ad hoc heißt also eher so etwas wie „Forschung als Momentaufnahme“?
So ungefähr. Anders als meine Kollegen, die Trackings betreuen, beschäftige ich mich eben nicht vorrangig mit Veränderungen im Zeitverlauf – zum Beispiel wie sich die Bekanntheit einer Marke von einem zum nächsten Quartal verändert. Allerdings betreue ich regelmäßig auch „kleinere“ Trackingstudien, die beispielsweise einmal im Jahr oder alle zwei Jahre durchgeführt werden.
Okay, das heißt, es geht recht abwechslungsreich zu bei Dir – wenn Du Dich schon den ganzen Tag mit Zahlen rumschlagen musst 🙂
Zahlen sind toll: Ich kann Dir zum Beispiel spontan sagen, dass ich mittlerweile 4x so viele Tore geschossen habe wie Du, also 4:1 vorne liege. Macht also durchaus Spaß, sich mit Zahlen zu beschäftigen 🙂
Wir sind noch lange nicht am Ende, mein Freund…
Weiß ich! Dein Eindruck täuscht übrigens nicht: Bei uns Numerics ist es generell recht abwechslungsreich. Zwar haben viele bei uns ein „Steckenpferd“, aber grundsätzlich bearbeiten wir Projekte aus ganz unterschiedlichen Themenfeldern, das fängt bei Automobilmarktforschung an, geht über den Food- und Körperpflege-Bereich bis hin zu Marktforschung für technische Produkte, um nur ein paar Bereiche zu nennen. Und das alles B2B und B2C…
Okay, klingt wirklich spannend. Hast Du eine Lieblingsbranche?
Nee, letztlich ist es wirklich der Mix aus Projekttypen und Branchen, der den Reiz ausmacht. Besonders spannend ist es, Grundlagenstudien, beispielsweise Usage & Attitude Studien oder Zielgruppen-Segmentierungen für Kunden durchzuführen. Diese sind häufig sehr komplex zu planen, durchzuführen und zu analysieren. Umso mehr freue ich mich, wenn danach wieder etwas „kompaktere“ Projekte anstehen.
Okay, lass uns wechseln zu den Methoden. Bleibt es da spannend oder versteht man da nichts mehr?
Alles halb so schlimm, nur keine Furcht vor „statistischen Methoden“! Als quantitativer Marktforscher hört man ja oft zwei Vorurteile: Entweder es heißt, alles geht per Knopfdruck, weil die „Maschine“ ja alles macht und wir die nur noch bedienen müssen oder es heißt, dass wir sowieso nur Datenfriedhöfe produzieren und man vor lauter Zahlen in Tabellen und Dateien nichts mehr versteht.
Ertappt – ist es denn nicht so? 🙂
Nein, natürlich nicht, eher umgekehrt: Auch wenn statistische Verfahren in der Anwendung oft kompliziert sind, helfen etwa multivariate Verfahren dabei, Komplexität zu reduzieren und die Ergebnisse für den Kunden besser verständlich zu machen. Also vielleicht ist bei Dir Hopfen und Malz auch noch nicht verloren…
Ach ja, der Ron, charmant wie immer! Bin übrigens auf 3:4 wieder dran. Gut, dass Du das Stichwort nennst: „Multivariate Verfahren“. Erklär das mal in…zwei Sätzen?
Also in zwei Sätzen wird es schwierig. Mal sehen… „Multi“ deutet ja schon an: Es geht nicht um die Auswertung einer Variable, sondern um die gleichzeitige Analyse von mehr als zwei Variablen. Das macht Sinn, denn unsere Welt ist ja nicht eindimensional…
Vielleicht etwas weniger philosophisch…?
Es gibt beispielsweise bei einer Kaufentscheidung viele Gründe, die für diese Entscheidung verantwortlich sind, etwa die Farbe eines Produkts, dessen Geschmack, den Preis, die Inhaltsmenge, das Image der Marken und vieles mehr. Die Verfahren helfen nun dabei, die Zahl der Variablen zu reduzieren, ohne die darin enthaltene Information wesentlich zu beschneiden. Vielmehr helfen sie, (Zusammenhangs-)Strukturen in den Daten zu entdecken oder auch Strukturen zu überprüfen. Beispielsweise, inwieweit Preis und Geschmack für den Kauf einer Limonade verantwortlich sind. Ich glaube, das waren jetzt mehr als zwei Sätze!
Das ist schon okay, denn ich beginne endlich zu verstehen, was Du so tust 🙂 Mit welchen multivariaten Verfahren arbeitest Du denn am häufigsten?
Insgesamt werden bei der GIM sehr viele unterschiedliche multivariate Verfahren eingesetzt. Bei mir sind es häufig die Clusteranalyse und Conjoint Analysen.
Beides kenne ich „zumindest dem Namen nach“ 🙂 Welche typischen Fragestellungen von Kunden beantworten wir denn damit? Oder kann man das nicht so pauschal sagen?
Klares Jein! Es gibt häufig nicht nur die eine Methode, um eine Fragestellung zu beantworten. Aber trotzdem gibt es Fragestellungen bei denen Du zuerst an eine spezielle Methode denkst.
Und das heißt…?
Ein Beispiel: Ein Kunde möchte wissen, wie sich die Käufer in seiner Produktkategorie beschreiben lassen und sich gleichzeitig verschiedene Käufergruppen untereinander unterscheiden. Für unsere Kunden ist dies oft eine wichtige Fragestellung, um „ihre“ Konsumenten zu verstehen und darüber hinaus eine optimale Kundenansprache zu entwickeln. Dazu werden die Käufer in Segmente eingeteilt – und dafür brauchen wir die Clusteranalyse: Sie hilft uns, Personen einer Stichprobe zu Gruppen zusammen zu fassen. Und zwar so, dass Personen in einer Gruppe möglichst ähnliche Eigenschaften bei ausgewählten Merkmalen haben (zum Beispiel Alter Einkommen, Einstellungen…) und gleichzeitig aber zwischen den Gruppen ein maximaler Unterschied besteht. Diese Gruppen können dann bei weiteren Merkmalen miteinander verglichen werden, um zu sehen wo es Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt. Wir machen diesem Falle also letztendlich eine Käufer-Segmentierung.
Und wie setzt der Kunde dann Ergebnisse konkret um?
Nehmen wir Conjoint Analysen. Oft fragen sich Kunden zum Beispiel: Wie soll mein Produkt aussehen? Welche Eigenschaften soll es haben oder wie würde denn das optimale Produkt aus Konsumentensicht aussehen? Da hilft eine Conjoint Analyse weiter, die ein Produkt ganzheitlich betrachtet, indem es die Bedeutung der einzelnen Produktmerkmale für die Kaufentscheidung des Konsumenten ermittelt – kurz gesagt: welche Eigenschaften führen dazu, dass ein Produkt gekauft wird, welche Eigenschaften sind nicht so wichtig, welche Kombinationen von Eigenschaften sind am besten?
Vielleicht an einer Branche festgemacht?
Denk‘ nur einmal an die Lebensmittelindustrie. Da stellt sich zum Beispiel die Frage: Bringt es etwas, wenn wir mit Biosiegel arbeiten und dafür in der Herstellung des Produktes höhere Kosten in Kauf nehmen? Wird das vom Verbraucher geschätzt oder kauft er dann doch lieber das preiswertere Produkt? Oder spielt vielleicht eher die Marke oder eine Geschmacksrichtung die größere Rolle? Solche Fragen lassen sich mit einer Conjoint Analyse beantworten und daraus Handlungsempfehlungen für unsere Kunden ableiten.
Hast Du es denn auf Kundenseite auch meist mit Statistikern zu tun? Da muss man doch bestimmt eine Sprache sprechen, oder?
Nein, in der Regel haben wir es mit Ansprechpartnern aus dem Marketing zu tun. Natürlich muss man dabei auch ein gemeinsames Kommunikationslevel finden, denn oft sind die Fragestellungen am Anfang noch gar nicht so klar umrissen und man erarbeitet gemeinsam, was die wichtigsten Fragen des Kunden sind und mit welchen Methoden man diese Beantworten möchte. Bei statistischen Methoden liegt die Herausforderung eher darin, der Kundenseite klar und anschaulich – ohne zu viel Fachchinesisch – zu erklären, was wir warum vorschlagen und welche Insights damit gewonnen werden können. Bei der Berichtserstellung oder der Präsentation geht es dann darum, die teilweise komplexen Ergebnisse griffig zu erklären und verständlich aufzuzeigen, was diese für die Fragestellung des Kunden bedeuten.
Du bist ja häufig auch in Projekten dabei, wo wir ganz gezielt für den Kunden quantitative und qualitative Methoden integrieren. Was sind denn da so Deine Highlights? Fiese Frage, ich weiß 🙂
Es erweitert in der Regel immer den Horizont für die Fragestellungen des Kunden, wenn man in qualitativen Vorstudien involviert ist. Das wirkt sich schon positiv auf die Entwicklung unserer quantitativen Instrumente aus oder es lassen sich Ergebnisse besser erklären. Und es ist natürlich besonders spannend, gemeinsam über den Ergebnissen zu brüten, gerade bei komplexen Studien, bei denen durch die Ergebnisse von beiden Seiten zusammen erst die wertvollen Insights für den Kunden generiert werden.
Okay, Ron, ein schönes Schlusswort! Ganz lieben Dank für Deine Zeit. Es hat diesmal nur gereicht zu einer Punkteteilung…
Es war ja ein auch wendungsreiches Spiel – mit einem gerechten Unentschieden. Gerne jederzeit wieder!