Vom Industriedesign kommend, hat sich Axel Loritz mit seiner Company imageneering über die Jahre auf die ganzheitliche Inszenierung von Marken konzentriert. Wohnhaft in Seeheim-Jugenheim an der Hessischen Bergstraße, ist er heute überwiegend für große Unternehmen, aber auch für Mittelständler und öffentliche Institutionen tätig. Für die GIM ist Axel Loritz unter anderem als Illustrator in Workshops regelmäßig aktiv. In einem Interview mit GIM Radar erzählt uns Axel von seinen faszinierenden Projekten und wie er mit seiner Arbeit Marktforschungsergebnisse optimiert.
Hallo Axel! Schön, dass wir bei Dir zu Gast sein dürfen für unser Interview. Wie geht’s Dir?
Hallo Frank, herzlich Willkommen! Gut geht’s mir, Danke. Viel zu tun wie meistens, aber das ist ja nicht unbedingt schlecht so.
Du bist von Hause aus Industriedesigner und hast unter anderem lange bei Siemens in dieser Funktion gearbeitet. Aber wenn man sich auf der Website von imageneering umschaut, muss man nicht unbedingt diesen Eindruck gewinnen – wie kommt’s?
Da hat sich einiges entwickelt bei uns in den letzten Jahren. Ich bin tatsächlich so gut wie weg vom reinen Produktdesign. Heute bieten wir unseren Kunden, überwiegend großen Markenartiklern etwas, das wir „Corporate Architecture“ nennen.
Das klingt auf Anhieb so spannend wie rätselhaft – was heißt das genau?
Mit einem Satz könnte man sagen, wir inszenieren Marken ganzheitlich in Architektur und Design. Das heißt, wir bleiben in Sachen Gestaltung nicht beim Produkt oder Service stehen, sondern gehen einen Schritt weiter: in den Raum.
Etwas konkreter?
Stell Dir vor, Du kommst in eine Halle, in einen Pavillon oder einen Ausstellungsraum, in dem kein Logo oder kein Claim einer Marke zu sehen ist – und doch erkennst Du sofort: Ah, ich bin bei der Allianz, ich bin bei BMW oder auch bei der BASF. Wir nennen das „Kommunikation im Raum“.
Okay, das heißt, Ihr arbeitet mit allen ikonografischen Codes einer Marke, wie zum Beispiel den Farben, und besetzt dann Räume damit?
Ja und Nein, wir belassen es eben nicht bei der Ikonografie. Unser Ansatz ist holistisch: Wir betrachten die DNA einer Marke und geben ihr dann den entsprechenden Wirkungsraum. Das Konzept findet Anwendung bei Messen, Ausstellungen, Events, aber auch bei temporärer und fester Architektur, also zum Beispiel auch im Museumsbau.
Das ist echt spannend, kannst Du uns ein Beispiel nennen?
Ein aktuelles und recht großes Projekt ist die „DTM Hospitality“ für BMW, ein Projekt aus dem Bereich „Temporäre Architektur“: In Zusammenarbeit mit der agentur brandscape haben wir für den Kunden drei Gebäude entworfen und gebaut, die für jedes Rennen der DTM (Deutsche Tourenwagen Meisterschaft, Anm. d. Red.) innerhalb von vier Tagen komplett auf- und wieder abgebaut und dann mit 70 Trucks weiter zum nächsten Rennen gefahren werden.
In vier Tagen? Mit 70 Trucks? Sind das dann größere Party-Zelte oder sowas?
Nee nee (lacht), eines der drei zweistöckigen Gebäude ist etwa 65 Meter lang und neun Meter hoch, das sind richtige Bauten mit ganz stabilen Fassaden und insgesamt vier Küchen, vielen Duschen und Räumen für alle Teammitglieder. Natürlich bedeutet das einen enormen logistischen Aufwand – aber: es funktioniert!
Wahnsinn!
Ja schon. Die größte Herausforderung war dabei aber für uns, die Markenarchitektur der Gebäude so zu gestalten, dass sie sich von denen der anderen Teams bzw. Marken klar absetzt und gleichzeitig aber auch die strikten logistischen Vorgaben des Kunden erfüllt. Wir haben das mit einem ziemlich raffinierten Baukastensystem gelöst – da will ich aber jetzt nicht zu viel verraten.
Du hast vorhin das Schlagwort „DNA einer Marke“ genannt. Wie stößt Du zu diesem „Erbgut“ vor?
Das geht nur, wenn man sich von einem Unternehmen wirklich alles anschaut – und nicht nur dessen Marketingmaterialien.
Heißt?
Im ersten Schritt schaue ich mir das Corporate Design und den gesamten kommunikativen Auftritt an, dann gehe ich auf die Website u.s.w – sprich alles, was nach außen sichtbar ist. Dann besuche ich in einem zweiten Schritt die Unternehmen, schaue mir die komplette Produktion an, rede mit den Menschen und gehe durch Büros – und: die Kantine. Denn dort schaut man der Marke sozusagen „in die Seele“ und sieht, ob und wie die Mitarbeiter den Markenkern verinnerlichen. Das dauert etwa zwei Tage.
Wir würden so etwas „ethnografische Forschung“ nennen.
Genau, so in der Art muss man sich das auch vorstellen.
Na, da teilen wir ja eine gemeinsame Leidenschaft 🙂 Zurück zu Deinem Background: Du kommst wie gesagt aus dem Industrie-Design – wie kam das dann mit der „Corporate Architecture“?
Mit klassischem Produktdesign fing es an: Ich startete bei Olivetti in Mailand und landete dann später für insgesamt 14 Jahre bei Siemens. Da ging es überwiegend um die Gestaltung von Industriegütern, zum Beispiel medizinischen Geräten. Die Wende kam sozusagen mit der Weltausstellung in Sevilla im Jahr 1992: ich bekam die Chance, für Siemens im Team den Pavillon zu planen und zu gestalten – das war der Einstieg in das Thema Architektur und Markeninszenierungen.
Nicht unbedingt ein dünnes Brett zum Bohren…
Das war schon ein dickes, genauso wie vier weitere Weltausstellungen, die noch folgten, unter anderem auch für die EXPO GmbH in Hannover im Jahr 2000 oder für das Internationale Olympische Komitee. Es war aber eben auch ein Sprungbrett in eine neue Gestaltungswelt. Und: ich bin dabei geblieben!
Deine Auftraggeber sind ja tatsächlich hauptsächlich Global Players, zum Beispiel aus der Automobilindustrie, und Du bist ja eher eine kleine Schmiede. Wie geht das?
Wir sind in der Tat ein „Familienbetrieb“, meine ganze Familie ist inzwischen mit an Bord in verschiedenen Funktionen. Bei Großprojekten arbeiten wir aber natürlich in Netzwerkstrukturen, sprich wir kooperieren regelmäßig mit anderen uns bekannten Spezialanbietern wie etwa Architekten, Fassadenbauern oder Logistikanbietern – und ziehen dann das Projekt für den Kunden durch. Für letzteren hat das den Vorteil, dass er tatsächlich für jeden einzelnen Schritt die richtige Person mit der entsprechenden Expertise hat.
Kannst Du „Leuchtturmprojekte“ benennen?
Da gibt’s einige, die DTM-Hospitality gehört dazu, aber auch eben die Weltausstellungen. Dann „100 Jahre Grand Prix-Siege bei Mercedes Benz“, das war ebenfalls eine Ausstellung – ein tolles Projekt. In Sachen Events war es die Einführung der A-Klasse von Mercedes mit Giorgio Armani und Christina Aguilera im Jahre 2004. Das war die „Star-Tour“ („Folge Deinem Stern“, Anm. d. Red.), bei der wir unter anderem in dem original Castello von Leonardo da Vinci mitten in Mailand inszenierten.
Wow, echt spannend! Zwischen Mailand und Heidelberg liegen Welten, aber Du unterstützt uns in Forschungsprojekten ja unter anderem als Illustrator in Workshops. Wie passt das – und was machst Du da genau?
Das passt sehr gut, Ihr seid ja auch international unterwegs. Was ich tue: Ich übersetze das, was die Konsumenten in Euren Workshops sagen, in real time in Skizzen. Beispiel: Ein Konsument sagt, er hätte lieber die Form einer Espressomaschine geschwungener oder den Kotflügel eines Autos bulliger oder die Perforierung einer Käseverpackung an der Seite statt oben: dann zeichne ich das in der Sekunde, wo er drüber redet, um dem Kunden Inspiration und konkretes Anleitungsmaterial für das Design an die Hand zu geben.
Da kommt ja einiges zusammen während eines Workshops?
Ja, ein paar Dutzend Scribbles sind es am Ende schon, je nach Länge des Workshops auch mehr. Es ist wirklich extrem anstrengend, aber es lohnt sich!
Und die Designer nehmen das tatsächlich als Input für ihre Arbeit…
Ja, zumindest als Denkanstoß. Wichtig ist, dass man die Sprache der Designer spricht, genauso wie man die Sprache der Marketingleute auf Unternehmensseite sprechen muss. Designer schalten ab, wenn sie Forschungsergebnisse in Power Point erhalten – man muss das, was die Konsumenten wollen, visuell aufbereiten. Das geht mit solchen Illustrationen, ich habe mit Euch aber auch schon elaboriertere Ergebnisdarbietungen für Kunden erarbeitet.
Warum machst Du das – bist Du nicht ausgelastet (lacht)?
Es macht Spaß und fasziniert mich einfach. Es ist immer eine große Herausforderung, aber auch eine tolle Übung, nicht das zu zeichnen, was man selbst will, sondern das, was andere Menschen im Kopf haben, ihre Gedanken. Und es ist auch immer wieder spannend und eine überraschende Erfahrung, so extrem nahe an die Zielgruppen zu kommen, das öffnet einem immer wieder die Augen. Wir, aber auch unsere Auftraggeber glauben ja immer zu wissen, was „der Kunde“ in Istanbul, Barcelona oder München will. Aber häufig liegen wir eben auch daneben mit unseren Annahmen. Das „erdet“ einen auch!
Dafür machen wir Marktforschung…
Genau das ist auch wichtig. Man sollte sich da als Unternehmen von den Menschen die Augen öffnen lassen, für die man seine Produkte herstellt – auch wenn es manchmal bitter ist. Und Eure neue Unit für Designforschung hat da ja auch die Nase im Wind…
Seit wann arbeiten wir eigentlich zusammen?
Das dürften jetzt um die sieben Jahre sein. Ich habe inzwischen schon viele Projekte gemacht mit Euch und freue mich wirklich jedes Mal wieder, wenn Ihr Euch meldet. Ich habe ja auch schon häufiger Stimuli für Eure Car Clinics angefertigt, wenn Ihr für Eure Kunden Themenwelten gebaut habt. Und dann freue ich mich auch, dass ich an Eurem Design Round Table im Oktober teilnehmen werde. Insgesamt klappt das richtig gut zwischen uns.
Das hören wir gerne…wir machen ja gerne assoziative Übungen mit unseren Konsumenten. Jetzt bist Du dran! Stell Dir mal vor, die GIM wäre ein Tier…und?
Puh, das ist gemein. Ganz spontan? Ein Greifvogel!
Echt? Witzig, wieso das?
Na ja, erstmal wegen des Überblicks: Ihr habt die Sicht auf Konsum und Konsumenten von oben, Ihr seht alles ganz genau. Dann: das Erhabene, ein Greifvogel ist ja nicht hektisch, er gleitet. Aber er ist eben auch nicht behäbig, sondern ruhig und souverän.
Aber er killt auch Mäuse und Karnickel!
Klar, aber das braucht es eben auch, um sich durchzusetzen und erfolgreich zu sein.
Na, wenn das nicht das ideale Schlusswort ist…Kurz noch eine private Frage: Was macht Axel Loritz, um runter zu kommen?
Es gibt drei Dinge, die mir helfen zu entspannen: Malen – das hilft extrem, da kann ich mich komplett entspannen. Dann: Kochen! Ist zwar vom Prozess her ähnlich wie Gestalten, hilft mir aber auch sehr. Und im Garten arbeiten, in der Natur sein – das hilft auch. Deshalb genieße ich es auch, hier „auf dem Land“ zu wohnen. In der Stadt ginge das nicht mehr – im Job der Druck und dann keine Ruhe zu haben…
Kann ich gut verstehen, ich bin auch schon seit Jahren ein „Landei“. Wir sind jetzt fast am Ende des Interviews. Ich würde Dir aber gerne noch drei Fragen mit der Bitte um ganz spontane Antworten stellen:
Was macht Dich froh?
Glückliche Menschen
Was macht Dich nachdenklich?
Traurige Menschen
Was macht Dich stolz?
Meine Familie
Axel, ganz herzlichen Dank für Deine spannenden Antworten und Deine Zeit. Alles Gute für die kommenden Monate!
Gerne! Wir sehen uns bestimmt bald im Rahmen eines Projekts wieder…
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