Das Problem ist nicht, Waren von einem Land um die halbe Welt ins andere zu liefern. Das Problem ist es, die Bestellung vom letzten Logistikzentrum zu den KonsumentInnen zu liefern. Die berühmt-berüchtigte letzte Meile stellt Logistiker und Onlinehändler gleichermaßen vor große Herausforderungen.
Usus in Deutschland ist der Paketfahrer, der mit dem Lieferwagen durch die Straßen fährt und dabei während seiner Schicht den Kofferraum sukzessive leert. Wer nicht zu Hause ist, kann seine Bestellung am nächsten Werktag dann bei den Nachbarn oder einer Filiale abholen. Bei zunehmendem Individualverkehr, der sich durch die Straßen drückt, funktioniert das Konzept aber länger schon nicht mehr reibungslos: blockierte Straßen, unter Druck stehende Fahrer, genervte EmpfängerInnen.
DHL bietet seit Jahren daher auch die direkte Lieferung in Postfilialen sowie Packstationen an. KundInnen können ihre Bestellungen also auch direkt dann abholen, wenn sie Zeit haben und der Fahrer spart sich einen erfolglosen Zustellversuch. Aber auch andere Konzepte gibt es inzwischen, um selbst effizienter und schneller liefern zu können: Die Lieferdrohne ist natürlich eine bekannte Alternative, die sich Amazon übrigens hat patentieren lassen. Eine andere Idee ist der mit Päckchen befüllte Materialgroßcontainer: zentral abgestellt werden Waren mit Lasten-E-Bikes und -Segways von ihm aus in kleinen Touren peu à peu ausgeliefert.
Amazons Ansatz
Ein Großteil der bei Amazon eingegangenen Bestellungen geht über klassische Versanddienstleister auf die Reise. Der E-Commerce-Riese verfügt aber auch über ein eigenes Logistik-Netz. Von Cargo-Flugzeugen (Prime Air genannt) bis zum „Locker“, dem Amazon-Pendant der Packstation, sind alle klassischen Logistik-Tools im Einsatz.
Amazon wäre aber nicht Amazon, wenn keine weiteren innovativen Ansätze geprüft würden: Ganz aktuell hat im nordwestlichen US-Bundesstaat Washington ein Feldversuch mit Lieferrobotern begonnen. Unter dem Namen „Scout“ liefern aktuell sechs blaue Tresore auf Rollen autonom Päckchen an Einwohner von Snohomish County. Sie fahren in Schrittgeschwindigkeit über den Bürgersteig und verfügen über eigens entwickelte Technologien, um Fußgänger, Hunde und Gegenstände auf dem Gehweg nicht anzufahren.
Im firmeneigenen Research and Development Lab in Seattle entwickelt, solle Amazon Scout langfristig für mehr Nachhaltigkeit und größeren Komfort bei KundInnen sorgen, so der Vice President von Amazon Scout, Sean Scott.
Im Scout-Image-Video muss das Paket von Hand entnommen werden. Die Technologie ersetzt daher nur den Zustellversuch der Paketfahrer. Wenn die EmpfängerInnen jedoch nicht zu Hause sind, stellen sich dieselben Probleme, wie bei der klassischen Lieferung.
Über die Dauer der Testphase ließ Amazon noch nichts verlauten. Auch darüber nicht, wie die Entnahme der Päckchen von Unbefugten verhindert werden soll. Inwiefern sich die letzte Meile durch autonome Lieferroboter revolutioniert, bleibt also abzuwarten. An sich ist aber jede Idee gut, die es schafft, Lieferungen von der Straße zu bekommen. Und dafür hat Amazon definitiv einige Ansätze bereits im Repertoire.