Allerspätestens seit der diesjährigen CeBIT ist klar: Das Internet der Dinge wird unseren Alltag vielleicht mehr verändern, als wir uns im Moment vorstellen. Netzwerke, Cloud Services, Big Data eröffnen Möglichkeiten für völlig neue Arten von Dienstleistungen und Produkten. Machen wir es kurz: Die digitale und die physische Welt werden früher oder später in zahlreichen Lebensbereichen verschmelzen. Viele Entwicklungen rund um das Thema spielen sich derzeit noch in Expertenkreisen ab, manche haben hingegen die Endkonsumenten erreicht – Beispiel Smart Home.
Das „intelligente Heim“ oszilliert momentan irgendwo zwischen solventen Early Adopter Zielgruppen (etwa Ingenieure, die von unterwegs schon mal per Smartphone die Jalousien runterlassen) und dem Konsumenten-Mainstream, der in etwa weiß worum es geht. Klar ist: Das Smart Home ist längst keine Vision mehr, sondern wird mehr und mehr real, bzw. ist es bereits. Und das trifft auch auf den Research zu: Marktforschung im Bereich Smart Home rückt in den Fokus.
Unsere Kollegen Thomas Hobrock und Dr. Tomas Jerković, beide Research Directors bei der GIM, haben sich die Zeit genommen, um mit uns über Hintergründe und Trends zu sprechen. Sie forschen unter anderem für Energieanbieter – und bei denen steht das Thema Marktforschung im Bereich Smart Home natürlich neben anderen ganz oben auf der Agenda.
Hier könnt Ihr den ersten Teil des Interviews mit ihnen lesen. Fortsetzung folgt 🙂
Unter Smart Home kann sich heute fast jeder etwas vorstellen. Das war nicht immer so…
THOMAS HOBROCK: Allerdings! Anfang 2001 gab es einen vom SZ-Magazin veranstalteten Architekturwettbewerb, der sich mit „Intelligentem Wohnen“ auseinandersetzte. Daraus erwuchs die Idee für das „Haus der Gegenwart“ in München (seit 2011 geschlossen, Anm. d. Red.). Von der Tür bis zur Gartenbewässerungsanlage ließen sich alle elektronischen Vorgänge zentral steuern, sogar von unterwegs mit dem Smartphone. Oder wenn eine Email im Postfach einging, wurde der Empfänger am nächstgelegenen Bildschirm darüber informiert.
TOMAS JERKOVIC: Seither wurden auch andere intelligente Musterhäuser eröffnet, in denen sich alles bequem und automatisch steuern lässt. Mit dem Oberbegriff „Smart Home“ sind also technische Verfahren und Systeme in Wohnräumen gemeint, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Lebensqualität zu erhöhen. Ein positiver Nebeneffekt ist dabei, dass man effizienter mit dem Verbrauch von Energie und Ressourcen umgeht. Die prinzipielle Idee ist, dass sich ganz viele Dinge automatisieren und mithilfe von Regeltechniken verwenden lassen – das betrifft zum Beispiel Heizungen, Beleuchtung, Rollläden, Bewegungssensoren oder auch den Herd oder Kühlschrank.
Das Thema fasziniert! Und zwar nicht nur Ingenieure und Technik-Affine…
T.J.: Absolut! Das spannende ist dabei vor allem, dass diese Entwicklung aus unterschiedlichsten Richtungen kommt. Ein Gedanke dahinter war immer die Energieeffizienz im Sinne von Stromsparen, aber dieser Aspekt tritt bisweilen in den Hintergrund. Maktforschung im Bereich Smart Home betreiben wir als GIM für klassische Energieanbieter, aber auch für Technologieanbieter und natürlich auch für Gerätehersteller.
Das machen dann die Kollegen Dennig und Klein im Bereich Home & Technology…
T.J.: Genau, ein anderes Team! Und auch das zeigt: Die Entwicklung betrifft mittlerweile im Grunde alle Bereiche im Haus oder der Wohnung, die elektronisch steuerbar sind: Von der Sicherheitstechnik angefangen, über die Steuerung von Elektrohaushaltsgeräten bis hin zu Multimedia-Geräten wie den Fernseher.
Neben dem Begriff Smart Home gibt es ja auch den des „Smart Meterings“. Was versteht man darunter?
T.H.: Beim Smart Metering geht es darum, meinen Stromverbrauch im Zeitverlauf zu analysieren, um dann den aktuellen Energiebedarf mit der Verfügbarkeit sowie dem aktuellen Energiepreis abzustimmen. Solche „intelligenten Zähler“ werden bereits seit den 1990er Jahren eingesetzt, aber für Privathaushalte „erst“ seit circa sechs Jahren angeboten. Neben den Stromzählern, gibt es natürlich auch welche für den Gas-, Wasser- oder Wärmeverbrauch. Je nach Modell sind die Geräte in ein Kommunikationsnetz eingebunden und können die erhobenen Daten automatisch an meinen Energieversorger weitergeleiten.
Was bringt’s?
T.H.: Na ja, der Anbieter kann so seine Ressourcen und Kraftwerkinfrastruktur intelligenter steuern und der Verbraucher erhält mehr Transparenz und kann verbrauchssenkende Maßnahmen treffen.
Wozu werden all diese Daten eigentlich erhoben?
T.J.: Ursprünglich kommt die Entwicklung aus dem Bereich der Energieeffizienz, um den Verbrauch zu erfassen. Inzwischen gibt es aber eine Fülle an Nutzungsmotiven, die mit der Erhebung und der Nutzung der Smart Home-Geräte einhergehen.
Nämlich…?
T.J.: Auf der einen Seite hat man weiterhin die knallharten Rechner, die sparen wollen. Dann gibt es aber auch Leute, die einfach Spaß daran haben, permanent auf ihre Musik, Fotos und Filme zugreifen zu können und diese von fern zu steuern. Auch DIY-Motive werden hier gut bedient, indem ich mein Heim so gestalten kann, wie ich es möchte. Und dann gibt es natürlich auch den Sicherheitsaspekt, weil ich mein Haus von überall überwachen kann.
Okay, das heißt, es könnte eigentlich für jeden relevant sein?
T.H.: Ja, schon. Jemand, der seinen Fokus vielleicht nicht auf Energiesparen setzt, kann es trotzdem gut finden, wenn ihm der Kühlschrank automatisch mitteilt, dass die Milch leer ist. Die Motive und Zielgruppen sind also relativ breit gefächert – vom Umweltschutzgedanken und Sparen über Sicherheit bis hin zum Optimieren und „Basteln“. Zudem potenzieren sich die Motive immer weiter, da zunehmend alle Gegenstände miteinander vernetzt werden. Natürlich darf man auch den Show-off Faktor nicht vergessen.
Dann müsste es doch heute nur so wimmeln vor lauter Smart Homes…
T.J.: Tut es aber nicht, denn: Entscheidend für die Akzeptanz solcher Systeme ist, neben den Kosten, ob man diesen Produkten einen echten relevanten Mehrwert ohne gravierende Nachteile oder Bedenken hinsichtlich echtem Nutzenvorteil, technischer Zuverlässigkeit, Datenschutz etc. zuschreibt. Das sind aus Konsumentensicht trotz aller technischen Faszination, die von diesen Geräten ausgehen kann, noch ziemlich robuste Barrieren, die es anzugehen gilt…
Was kann ein Smart Home noch?
T.H.: Interessant sind auch Interaktionen wie die automatische Dimmung der Heizung, sobald das Fenster geöffnet wird – also die Kombination von Thermostaten mit Tür- und Fenstersensoren anhand intelligenter Steuerungslogiken. Oder dass die Beleuchtung anhand eines Luxmeters gedimmt werden kann: Ein Helligkeits-Sensor in der Birne erfasst die ihn umgebenden Lichtverhältnisse und schaltet sich automatisch bei Dunkelheit an- und bei Helligkeit wieder aus.
Das ist was für Spielkinder…
T.H.: Auch. Es werden aber vor allem Kosten gespart, indem man immer nur so viel Strom verbraucht, wie man tatsächlich benötigt. Eine intelligente Steuerung, die man im Prinzip kaum bemerkt.
Und wie funktioniert das über Steuerungssysteme?
T.H.: Im Prinzip müssen die Daten über ein Bussystem. Dahinter stecken Algorithmen, wie etwa simpel gesprochen: „Wenn X an ist, schalte Y aus“. Und das lässt sich webbasiert, über Apps oder auch anhand klassischer Hausregelelektronik umsetzen. Kompliziert wird es erst, wenn ich unterschiedliche Daten weiterleite. Wenn man verschiedene Module steuern will, wie zum Beispiel Licht oder Heizung, dann braucht man ein System, das unterschiedliche Funktionalitäten integrieren kann – vor allem, wenn man bedenkt, dass auch künftig immer neue Technologien auf den Markt kommen werden.
T.J.: Ja, die Kompatibilitätsfrage ist bislang eine der größten technischen Schwachstellen der Vollautomatisierung des Hauses – über inhaltliche haben wir ja schon eben gesprochen. Die Frage ist, wie die intelligente Steuerung von Licht, Heizung und Kühlschrank am Ende in ein System zusammenpassen.
Und das in Zeiten, in denen so gut wie alle Unternehmen von „Einfachheit“ reden…
T.J.: Bingo! Der Kunde möchte ja gerade NICHT zehn Apps und hundert Fernbedienungen! Bislang gibt es noch keinen Anbieter, der alle Komponenten eines intelligenten Heims aus einer Hand anbietet. Außer zum Teil im Bereich des Energieverbrauchs, da bieten die großen Energiekonzerne durchaus kompakte Lösungssysteme an, die sich um weitere Module aufstocken lassen.
Welche Bereiche sind von der Entwicklung bislang tatsächlich betroffen? Und wo steckt die Technologie noch überall drin?
T.H.: Die Entwicklung kommt wie gesagt aus verschiedenen Ecken. Das Thema „intelligente Küche“ ist beispielsweise sehr interessant – da spielt etwa die Automation von Haushaltsgeräten eine Rolle. Während die Kaffeemaschine zum Frühstück Kaffee kocht, backt der Backofen zur gleichen Zeit die Brötchen auf. Der Kühlschrank sagt einem, welche Lebensmittel vorhanden sind und schlägt passende Rezepte vor. Die Anleitung wird mir auf dem Smartphone angezeigt.
Klingt extrem verlockend J
T.J.: Und es kommt noch besser J Der Ofen erhält vom Kühlschrank die Informationen bzgl. der Temperatur und Garzeit. Dreckiges Geschirr landet im Geschirrspüler, der sein Waschprogramm anhand von Sensoren selbst ermitteln kann. Der Kühlschrank erkennt auch sobald Lebensmittel leer sind und bestellt je nach gespeicherter Einkaufsliste online automatisch alles nach. Außerdem erkennt er anhand des Inhalts wie viel Energie er zur Kühlung aufwenden muss. Das spart Strom.
Willkommen in der Zukunft..
T.H.: Ja – noch! Ein anderer spannender Bereich ist auch das Smart Car. Ein Schwerpunkt einer der letzten Automobilmessen in Genf war die Integration der Regeltechnik aus dem Smart Home Bereich ins Auto. Etwa beim Thema Heizungssteuerung, in dem ich per App die Standheizung in meinem Auto schon mal einschalten kann. Wenn man so will: Das Automobil als Erweiterung des smarten Heims.
Und da wäre auch eine Schnittstelle zum Thema Elektromobilität…
T.H.: Ja, wobei die sich ja bekanntlich nach wie vor schwertut in Deutschland. Eine Überlegung der Regierung im Zusammenhang mit der aufzubauenden Infrastruktur ist es gleichwohl, bei der Umrüstung alter Laternenmaste auf LED, dort gleichzeitig Stationen zum Stromzapfen zu integrieren. In Zukunft wäre es städteplanerisch also zumindest möglich, überall an öffentlichen Stationen Strom zu ziehen. Diese Mikrowattkilostunden könnten dann direkt von meinem Konto abgebucht werden – das ist technisch möglich.
T.J.: Das Smart Car betrifft aber auch den Verkehrsfluss: Viele Städte ächzen täglich unter jeder Menge Staus. Wenn man den Optimierungsgedanken weiterdenkt, dann könnten miteinander vernetzte Ampeln selbstständig den Verkehr regeln. Und das ließe sich wiederum mit dem Konzept der selbstfahrenden Autos weiterentwickeln, das mit seiner Umgebung kommuniziert – Smart Home, Smart Car, Smart City. Theoretisch sind da keine Grenzen gesetzt.
Soweit Teil 1 unseres Interviews. Bleibt vernetzt mit uns (und smart J), um die weiteren Teile demnächst bei uns zu lesen…
Habt Ihr Fragen an die beiden? Gerne:
t.jerkovic@g-i-m.com
t.hobrock@g-i-m.com
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